Rede “100 Jahre Abschiebehaft” bei der Bürendemo in Detmold 2018

2019 wird es mehrere grausame Jährungen geben:

Seit 100 Jahren werden dann Ausländer*innen inhaftiert, allein
um den Behörden die Abschiebung zu erleichtern

Seit dann 25 Jahren ist Büren der größte Abschiebeknast Deutschlands.

Seit dann vor 20 Jahren ist Rashid Sbaai in Büren gestorben, unter nie vollständig aufgeklärten, aber skandalösen Umständen.

100 Jahre Abschiebehaft: Das bedeutet – Gewalt, Willkür und Unrecht!

Wir haben bereits gehört, wie rassistische Sondergesetze zu existenzieller Unsicherheit, Aushebelung der unveräußerlichen Menschenrechte und Zerstörung von Familien und Existenzen führen. Über 2000 Seiten Sondergesetze für ‘Ausländer*innen’.
Diese Gesetze, nach denen u.a. Abschiebehaft angeordnet wird, machen Menschen kaputt. Sie haben unheimlich viel Leid für die Betroffenen, ihre Freund*innen und Familien gebracht!

Und aktuell wird Abschiebehaft weiter ausgebaut, sind neue Abschiebeknäste in Planung oder frisch eröffnet.

So viel Leid durch Paragraphen, die wahnhaft befolgt und ihre Einhaltung nahezu militant eingefordert werden.
Wo kommen diese Gesetze her?

Das führt uns zu “100 Jahre Abschiebehaft”.

Denn Abschiebehaft hat eine grausame Tradition in Deutschland, eine Tradition der Willkür, Gewalt und des Unrechts. Diese zermürbende Praxis wurde vor 100 Jahren von den Preußen vor allem zur Vertreibung der sogenannten Ostjüd*innen eingeführt. Mittels Internierung und Abschiebung sollten die meisten Jüd*innen, die hier vor Pogromen in Osteuropa Schutz suchten und dabei halfen, die Produktion am Laufen zu halten, vertrieben werden oder von selbst verschwinden. Mit der Abschiebehaft wurde eine rechtliche Legitimation dafür geschaffen, Menschen willkürlich wegzusperren und vor allem abzuschrecken. In dem Zusammenhang ist auch zum ersten Mal vom Begriff “Konzentrationslager” die Rede.

Die Abschiebehaft wurde 1938 in der von Heinrich Himmler verfassten Ausländerpolizeiverordnung massiv ausgeweitet.
Mit “Zur Sicherung der Abschiebung kann der Ausländer in Abschiebungshaft genommen werden”
war extreme Willkür möglich und wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen, um Massenausweisungen zu erzwingen. Alleine in den 2 Wochen vor der Reichspogromnacht wurden 18.000 polnische Jüd*innen in Abschiebehaft gesperrt.

Dieses Nazi-Gesetz, die Ausländerpolizeiverordnung, wurde 1951 von der BRD wörtlich übernommen. Begründet wurde es damit, dass diese nun von “einem demokratischen Geist durchdrungen sei” und “formal-rechtlich korrekt zu Stande gekommen ist”.

Es ist absolut erschreckend , wie mit “Abschiebungen” oder “Abschiebehaft” NS-Praktiken weitergeführt und NS-Gesetze verschärft werden, die zum Zwecke der Vertreibung von Millionen von Menschen verfasst wurden!

1965 wurde das Gesetz überarbeitet, da Abschiebungen “aus dem Reichsgebiet” heraus und die Willkür des Paragraphen in einem demokratischen Rechtsstaat nicht vermittelbar waren.
Ziel war auch die Ausweitung der Anwendung.Die Gesetzgebung wurde als Reaktion auf die rassistischen Pogrome Anfang der 1990er Jahren weiter verschärft und erneut massiv zur Anwendung gebracht.

Seit dem ist bei begründetem Verdacht der “Entziehung der Abschiebung” Haft möglich. Haft als dem massivsten Eingriff in die Freiheit des Einzelnen, bis zu 18 Monate.

Im Zuge einer offenen rassistischen menschenfeindlichen Stimmung und Pogromen wurden die Gesetze weiter verschärft, mit der Aushebelung des Grundrechts auf Asyl. Aus dieser Stimmung heraus wurde 1993 die Einrichtung der Abschiebehaft in Büren beschlossen.

Statt sich von einer Praxis mit so einer Geschichte zu verabschieden, soll sie sogar noch ausgeweitet werden:
25 Jahre nach Eröffnung der Haftanstalt in Büren möchte NRW die Haftbedingungen weiter verschärfen.
Andere Bundesländer planen Verschärfungen der Haftbedingungen.
Deutschlandweit werden neue Abschiebehaftanstalten geplant. Allein in Passau soll ein neues “Super”-Gefängnis mit über 200 Haftplätzen entstehen, 2019 soll 100 Jahre nach dem 1. Abschiebeknast in Ingolstadt in Hof ein weiterer eröffnet werden.

Das alles erleben wir, während rechtsextreme Pogrome stark zunehmen – beflügelt von Marginalisierung und gezielter Hetze von Medien und führenden Politiker*innen (in Europa).

In den vergangenen 100 Jahren gingen in Deutschland rechtliche Marginalisierung und rassistischen Pogromen Hand in Hand.
Es darf nicht sein, dass die dass die Gesetzgebung rechtsextremer Gewalt nachgibt und die Betroffenen rechtsextremer Pogrome noch weiter marginalisiert werden!

Es wird Zeit, dem aufkommenden Faschismus und rassistischen Oppression entgegenzutreten:
Auch und gerade durch Abschaffung rassistischer Sondergesetze!

Es kann nicht sein, dass Gesetze, die geschaffen wurden mit dem verbrecherischen Ziel, möglichst alle Jüd*innen aus Deutschland zu vertreiben, immer noch in einem “demokratischen Rechtsstaat” zur Anwendung kommen!

Es darf nicht sein, dass Menschen aufgrund von NS-Gesetzen inhaftiert werden in Gefängnisse wie hier in Büren, die im Zuge von Pogromen und rassistischer Morde entstanden sind.

Wir fordern daher lautstark:

Ersatzlose Abschaffung der Abschiebehaft! Schließt Büren, schließt alle Abschiebeknäste!

Eine Haft, die die Durchführung der Deportation über das Wohl des Menschen und seine Freiheitsrechte stellt, halten wir für unerträglich.

Ebenso ist es aber gerade jetzt wichtig, immer wieder zu betonen, dass wir Abschiebungen unerträglich finden:

Diese menschenverachtende Praxis stellt für Unzählige eine beständige existenzielle Bedrohung dar. Sie zerstört Lebensgemeinschaften und Menschen. Aktuell macht sie werdenden Eltern und Kindern das Leben zur Hölle, weil Ausländerbehörden werdende Kinder als Angriff auf ihre Abschiebungspläne verstehen und entsprechend handeln.

So viele völlig vergeudete Ressourcen, soviel Aufwand, nur um Menschen zu vertreiben – dabei sind Abschiebungen nicht imstande, auch nur ein einziges Problem global zu lösen! Kein einziges!
Nutzen wir diese Ressourcen stattdessen für die Menschen, für die Umwelt – zum Schutz der Umwelt, zur Pflege, Bildung und Integration – statt in gesellschaftlich zersetzende Apparate!

Für eine solidarische und gerechte Gesellschaft.

Schluss mit all diesen Behörden und Gesetzen, die Menschen zerstören und ihre Potenziale ersticken! Schluss mit allen Abschiebungen!

Schluss mit der Internierung in Lagern! Und Schließung aller Abschiebeknäste!

Vortrag – Halle (Saale): Abschiebungshaft in Deutschland – Ein Überblick

Donnerstag, 14.03., 17-20 Uhr
Ort: Welcometreff, Waisenhausring 2, Halle (Saale)

Facebook: https://www.facebook.com/events/402061097021603/

Nachdem verschiedentlich ein – vermeintliches – Vollzugsdefizit bei Abschiebungen behauptet wurde und Bundeskanzlerin Merkel im Januar 2017 eine »nationale Kraftanstrengung« bei der Vollziehung von Abschiebungen verlangte, kündigte Bundesinnenminister Horst Seehofer im Laufe des Jahres 2018 an, das Instrumentarium der Abschiebungshaft ausbauen und extensiver nutzen zu wollen, um mehr Abschiebungen schneller durchzusetzen. Auch Sachsen-Anhalt plant die Einrichtung einer neuen Abschiebehaftanstalt in Dessau.

Parallel dazu begleitete der Flüchtlingsrat Niedersachsen im Rahmen des Projekts „Beratung in Abschiebungshaft” die Beschwerdeverfahren von mehr als 200 Abschiebungshaftgefangenen. In knapp 50 % dieser Verfahren entschieden die Gerichte nach erneuter Prüfung, dass die Inhaftierung der Betroffenen zu Unrecht erfolgte. Der Vortrag führt durch die Geschichte der Abschiebungshaft und beleuchtet ihre gegenwärtige politische, rechtliche und tatsächliche Entwicklung. Zudem sollen die Besucher_Innen angeregt werden, sich für Menschen in Abschiebungshaft zu engagieren.

Der Vortrag behandelt nachfolgende Fragen bzw. Aspekte im Detail: Was ist Abschiebungshaft? Die Geschichte der Abschiebungshaft von 1918 bis heute. Wer läuft aus welchen Gründen Gefahr in Abschiebungshaft genommen zu werden und für wie lange? Wie ist der Ablauf des Abschiebungshaftverfahrens? Rechtswidrige Inhaftierungen und Einblicke in Abschiebungshafteinrichtungen unterschiedlicher Bundesländer. Wie kann ich selbst aktiv werden, um mich für Menschen in Abschiebungshaft zu engagieren? Die Kampagne „100-Jahre-Abschiebehaft”.

Der Referent Muzaffer Öztürkyilmaz ist seit 2008 im Bereich der Abschiebungshaft tätig. Seit dem 01.08.2016 leitet er das Projekt »Beratung in Abschiebungshaft« beim Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. Zudem beschäftigt er sich in Theorie und Praxis mit dem Aufnahmemanagement und der Beratung für Asylsuchende in Niedersachsen.

Eine Veranstaltung des Flüchtlingsrates Sachsen-Anhalt in Kooperation mit Solidarity City Halle im Rahmen der Bildungswochen gegen Rassismus 2019 von Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage.

Das gesamte Programm der Bildungswochen gibt es unter: http://www.bildungswochen.de/.

  Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V.

Passauer Abschiebekrimi um Flüchtlingsfamilie

Die Ausländerbehörde der Bezirksregierung Niederbayern hat im Fall einer syrischen Familie aus Passau, die nach Lettland abgeschoben werden soll, vollendete Tatsachen schaffen wollen. Dabei wurde eine Mutter, die im 3. Monat schwanger war, in Abschiebehaft gesperrt, und ihr Kind ins Heim gesteckt.

Die Medien berichten, eine Demo steht bevor.

(Link Bürgerblick)

BMI-Gesetzentwurf soll Abschiebungen erleichtern: Eine sch­lechte Ant­wort auf die fal­sche Frage

Dr. Constantin Hruschka nimmt in der LTO den Gesetzesentwurf “Geordnete Rückkehr” von Seehofer sehr kritisch unter die Lupe.

Rechtstaatlich besonders bedenklich ist zum Beispiel, dass die Haftvoraussetzungen bei der Abschiebungshaft gesenkt werden sollen, obwohl diese sich bereits jetzt an der Grenze des nach dem Grundgesetz und der Grundrechtecharta der EU Erlaubten orientieren. Die umfassende Rechtsprechung und die hohe Erfolgsquote von Haftbeschwerden zeigen, dass in der praktischen Anwendung diese Grenze schon jetzt oft überschritten wird.

(Link: LTO-Artikel)

Vortrag – Bremen – “100 Jahre Abschiebehaft”

02.03.2019 um 18:00 Uhr
Ort: BDP Haus Bremen

In ganz Deutschland werden immer mehr Abschiebeknäste errichtet. In Dessau wird eine ehemalige JVA umgebaut. Die Landesregierung NRW hat gerade erst beschlossen Deutschlands größte Abschiebehaft, die UfA Büren, weiter auszubauen. Obwohl bereits zwei Haftanstalten existieren, plant Bayern zwei weitere – jeweils größer als Büren. Doch wer glaubt, Abschiebehaft sei ein eher jüngerer Trend, irrt, denn sie hat eine lange Geschichte in Deutschland. Bereits 1919 wurde die Abschiebehaft in das staatliche Repressionsinstrumentarium gegen nicht erwünschte Menschen aufgenommen.Am 02.03.19 um 18:00 Uhr wird die Initiative 100 Jahre Abschiebehaft diese Geschichte in ihrem Vortrag näher beleuchten und wird dabei sowohl auf die antisemitischen Ursprünge als auch ihre heutige rassistische Praxis eingehen. Der Vortrag ist Teil einer Kampagne zum einhundertjährigen Bestehen und gegen das Fortdauern der Abschiebehaft in Deutschland, die am am 31.8.2019 in einer Großdemonstration gegen Abschiebehaft in Paderborn münden wird. Die Veranstaltung findet im BDP Haus in Bremen statt (Am Hulsberg 136, 28205 Bremen) und der Eintritt ist kostenlos.



Redebeitrag in Pforzheim 2017 der DGB Pforzheim/Enzkreis

Guten Tag zusammen,

ich spreche für den DGB Pforzheim/Enzkreis, um Euch in Pforzheim zu begrüßen. Da, wo wir gerade stehen, stand ein Zuchthaus, aus dem unliebsame Personen in die damaligen Ausländer wie Württemberg oder die Pfalz abgeschoben wurden. Das ist schon über 250 Jahre her, aber Abschiebungen fanden auch zu anderen Zeiten statt, unter anderen Vorzeichen, mit anderen gesetzlichen Grundlagen, betroffen waren zum Teil andere Personengruppen.

Ich berichte über das Pforzheimer Gefängnis an der Rohrstraße, wir werden nachher ja dorthin gehen. Ich zitiere aus einem Zeitungsartikel der Lokalpresse:

Am Abend des 18.5. verlangt eine große Menschenmenge in der Schillerstraße und in der Großen Gerbergasse die Ausweisung der dort wohnenden Flüchtlinge: ‚da ihre persönliche Sicherheit gefährdet war, wurden sie von der Polizei in Schutzhaft genommen‘“.

Der Bericht über den rassistischen Mob stammt nicht von 2015 oder von 2016, sondern von 1933. Statt „Flüchtlinge“ heißt es im Original „ausländische Juden“ – der Rest ist gleich: Die Betroffenen werden im Knast eingesperrt und dann abgeschoben. Über ihr Schicksal damals ist nichts bekannt – heute ist das nicht anders.

Dieser Mann, Pfarrer Heinz Kappes, sitzt im selben Gefängnis, weil er gegen den Antisemitismus der Nazis protestiert hatte. Nach 10 Tagen kommt er frei, wird aber des Landes verwiesen, also nach Württemberg abgeschoben. – Er überlebt, weil er 1935 nach Palästina auswandert.

Der junge Mann links am Bildrand ist Arnold Mazur. Er gehört zu den mindestens elf nicht-deutschen Juden, die am 28. Oktober 1938 aus Pforzheim an die polnische Grenze abgeschoben werden. Die Schicksale der elf Deportierten sind dokumentiert: Nur Arnold Mazur überlebt die Deportation. – Abschiebung in den Tod.

Der Mann heißt Simon Bensinger. Er ist zwei Wochen später von Abschiebung betroffen, am 10. November 1938, also nach der Zerstörung der Synagoge. Ihn sperren die Nazis mit mindestens 22 weiteren jüdischen Männern ins Gefängnis und schieben dann alle per Reichsbahn ins Konzentrationslager Dachau ab. Folgen sind Misshandlungen und die erzwungene Unterschrift unter die Erklärung, Deutschland umgehend zu verlassen. – „Freiwillige“ Ausreise ?

[Portrait J. Helmstädter]

Dieser Gewerkschafts-Kollege heißt Julius Helmstädter. Nach dem Attentatsversuch am 20. Juli 1944 läuft eine Verhaftungswelle, genannt „Aktion Gitter“. Betroffen aus Pforzheim sind 15 Nazi-Gegner, meist frühere SPD- oder KPD-Stadtverordnete. Die Nazis bringen sie über die Gestapo in der Bahnhofstraße ins Gefängnis. Von dort werden sie nach einigen Tagen über das Gefängnis Karlsruhe ins Konzentrationslager Dachau abgeschoben. Julius Helmstädter überlebt nicht. – Abschiebung in den Tod.

Diese Frau heißt Noor Inayat Khan, sie war britische Agentin gegen die Nazis. Sie wird am 11. September 1944 aus dem Gefängnis Pforzheim über den Knast in Karlsruhe und dann ins Konzentrationslager Dachau „verschoben“ – so heißt das damals. 2 Tage später, am 13. September 1944, ermorden die Nazis diese Widerstandskämpferin im KZ Dachau – Abschiebung in den Tod.

Dieser Gedenkstein an der Tiefenbronner Strasse erinnert an 25 Mitglieder der Résistance, die die Nazis aus Frankreich nach Pforzheim verschleppt hatten. Am 30. November 1944 holt ein Gestapo-Trupp sie aus dem Gefängnis heraus und ermordet sie am Rande eines Bombentrichters im Hagenschieß. – Depotation in den Tod.

Am 14. Februar 1945 schieben die Nazis 17 „nicht-arische“ Partnerinnen bzw. Partner von sogenannten „Mischehen“ aus Pforzheim ab. Nach 4 Tagen und 3 Nächten kommen sie im Konzentrationslager Theresienstadt nördlich von Prag an. 16 von ihnen werden am 8. Mai 1945 von der Roten Armee befreit. – Abschiebung in den Tod.

Viele der zwischen 1933 und 1945 aus Pforzheim und aus dem Gefängnis Abgeschobenen stammten aus Familien, die vor dem 1. Weltkrieg vor Verfolgung in ihrer Heimat in Osteuropa geflohen waren – heute heißen die Herkunftsländer eben Afghanistan, Syrien, Irak, Eritrea, Iran, auch Nigeria und Somalia.

Das Gefängnis an der Rohrstraße war ab 1933 zudem die erste Adresse von Gegnern der Nazis, von Kommunisten und Sozialisten, von Sozialdemokraten und Zeugen Jehovas, von Gewerkschaftern und Kriegsdienstverweigerern, von „Rundfunk-Verbrechern“ und von widerständigen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern.

Übrigens: Die Stadt Pforzheim wollte nicht, dass die Jugendstrafanstalt, eine Resozialisierungseinrichtung, in der Jugendliche Schulabschlüsse nachmachen bzw. eine Berufsausbildung absolvieren konnten, zum Abschiebeknast wird.

Der Zwischenstopp hier hat etwas mit dem Güterbahnhof zu tun: Der Prellbock mit den Gleisen erinnert an die größte Massenabschiebung aus Pforzheim. Ziel war das Lager Gurs in Südfrankreich. Am 22. Oktober 1940 holen die Nazis fast 200 Menschen frühmorgens aus ihren Wohnungen. Sie bringen sie nicht ins Abschiebe-Gefängnis an der Rohrstraße, dort hat es für so viele Menschen einfach keinen Platz, sondern gleich zum Güterbahnhof. Von den ins Lager Gurs Deportierten 195 Menschen aus Pforzheim überleben nur 55 den Terror der Nazis. – Abschiebung in den Tod.

Zur Erinnerung gehört aber auch etwas anderes:

Damals gab es – nicht nur in Pforzheim – Menschen, die Verfolgten und von der Abschiebung in den Tod Bedrohten zur Flucht verhalfen oder sie vor dem Zugriff der Nazis versteckten. Fluchtwege führten über die Deckadresse in der St. Georgenstraße und das Pfarrhaus in Schwann, dann über die grüne Grenze in der Pfalz, mit dem Paddelboot oder im Fischernachen über den Rhein, mit gefälschten Papieren am Basler Bahnhof…

Auch wir haben eine Geschichte,

es gibt zu tun, deswegen sind wir ja hier.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Grundrechtsverletzung in Abschiebehaft Dresden – Zwangsernährung und Fesselung in Abschiebehaft ohne Gerichtsbeschluss

Für alle Behörden geltendes, in jedem Fall zu befolgendes Verfassungsprinzip: Zwangsmaßnahmen bedürfen eines richterlichen Beschlusses. Erfolgt der nicht, ist eine Fesselung als Freiheitsberaubung, eine Zwangsernährung als Körperverletzung zu bewerten. Genau dies wurde an Herrn Al Bedam* vorgenommen, wie aus einer kleinen Anfrage im sächischen Landtag hervorgeht. Am 14. Januar wird er aus der Abschiebehaftanstalt Dresden in das Krankenhaus Dresden Friedrichstadt verlegt. Mit einer Fußfessel ans Bett gekettet, wird er unter Aufsicht von Beamt*innen der Landesdirektion zwangsernährt.

Das sächsische Innenministerium wollte den Fehler bei der Zwangsernährung verschleiern.

(PM der Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden)
(Kleine Anfrage im Sächsischen Landtag)

GGUA: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht III

(Artikel von GGUA)
Es gibt seit dem 13. Februar einen neuen Referent*innen-Entwurf zum „Geordnete Rückkehr-Gesetz“ aus dem Hause Seehofer. Hier der Gesetzestext im Worlaut. [1]

Ein besonders dramatischer Punkt von vielen dramatischen Punkten wäre nach dem Entwurf (wie auch schon im ersten Entwurf) die dauerhafte, systematische Entrechtung von Menschen, die aus Sicht der ABH irgendwann einmal etwas „falsch“ gemacht haben oder auch nur aus dem falschen Herkunftsland kommen – selbst wenn noch weitere, „nicht selbst zu vertretende“ Abschiebungshindernisse hinzutreten oder das „Fehlverhalten“ lange korrigiert ist: Sie sollen einen Status unterhalb der Duldung erhalten (eine „BÜVA“) und ausdrücklich von jeglichen „Integrationsmaßnahmen und Angeboten, die zur Aufenthaltsverfestigung führen können“ ausgeschlossen werden, einem dauerhaften Arbeits- und Bildungsverbot unterliegen und dauerhaft nur um 60 Prozent gekürzte Leistungen erhalten.

Georg Restle von MONITOR hat das Ganze völlig zutreffend kommentiert: „Seehofer schafft einen neuen Menschentypen: Den Rechtlosen.“

Video von Monitor auf den Punkt: “Seehofers inhumane Pläne”

Eine Geschichte, die Abschiebehaft schreibt – Familientrennung und Abschiebung um jeden Preis

Herr Al Bedam* wurde am Donnerstag, dem 31. Januar 2019 aus dem Krankenhaus Friedrichstadt nach Marokko abgeschoben – trotz Hungerstreik und schwerer Krankheit, trotz deutschem Kind, trotz Risikoschwangeschaft der Frau.

Die zuständige Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) Oberfranken verweigerte eine Vaterschaftsanerkennung, die das Jugendamt ermöglicht hätte.

(PM der Abschiebehaftgruppe Dresden)

Radio-Beitrag: Inhuman und unverhältnismäßig: Seehofers Entwurf für ein neues Abschiebungsgesetz

Radio-Beitrag von RDL und Bellinda Bartolucci (ProAsyl)

Das “Geordnete-Rückkehr-Gesetz”: Für Flüchtlinge verbirgt sich hinter dem Euphemismus eine weitere Aushöhlung ihrer Rechte, die in den letzten fünf Jahren bereits rasant vorangetrieben wurde. Durch ein Bündel von Änderungen im Aufenthaltsgesetz sollen Abschiebungen weiter erleichtert werden. „Radio-Beitrag: Inhuman und unverhältnismäßig: Seehofers Entwurf für ein neues Abschiebungsgesetz“ weiterlesen

Verheerendes Signal – Man darf Flüchtlinge nicht aus Effizienzgründen einsperren!

In seinem Gutachten vor dem Abschiebehaft-Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2014 zitierte der Generalanwalt zur Einleitung Artikel eins der Grundrechtecharta: “Die Würde des Menschen ist unantastbar.” Wenn Menschen eingesperrt werden, sollte das heißen, kann es nicht um Verwaltungseffizienz gehen. Auf dem Spiel steht das höchste Gut, das die Rechtsordnung zu bieten hat.

(Kommentar der Sueddeutschen Zeitung)

Schwangere Palästinenserin vor Abschiebung – Sie wird in Abschiebehaft gesteckt, ihr Sohn ins Waisenhaus

Eine schwangere Palästinenserin sitzt in Abschiebehaft. Ihr Sohn im Vorschulalter blieb allein in Passau zurück. Flüchtlingshelfer protestieren gegen Bayerns “brutale” Behörden.

Stephan Dünnwald vom Bayr. Flüchtlingsrat: “Dieser Abschiebeversuch ist exemplarisch für die bayerische Praxis, mit allergrößter Rücksichtslosigkeit die Abschiebezahlen zu erhöhen.”
Inzwischen mehren sich die Versuche, politisch zu intervenieren und das bayerische Innenministerium aufzufordern, von der Abschiebung abzusehen. “Quasi täglich ein neuer Fall brutaler Abschiebepraxis“, kommentiert Pro Asyl auf Facebook.

(Artikel vom Tagesspiegel)
(Bericht von der Passauer Neuen Presse)

100 Jahre Abschiebehaft – Kampagne startet ins Aktionsjahr 2019

Seit 100 Jahren werden Menschen inhaftiert, nur um sie abzuschieben. Um auf das Unrecht der Abschiebehaft aufmerksam zu machen, haben Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen die Kampagne „100 Jahre Abschiebehaft” ins Leben gerufen, die mit bundesweiten Aktionen und Veranstaltungen über die Missstände aufklärt und die Abschaffung der Abschiebehaft fordert – denn: Haft ist die größte Einschränkung der individuellen Freiheit.

Hier die erste PM unserer Kampagne.

Exzessive Erweiterung der Haftgründe – ProAsyl berichtet über Pläne des BMI

Am 1.2.2019 wurde ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums (BMI) bekannt. Voraussetzungen für Inhaftierungen, wie die richterliche Anordnung oder der Nachweis eines Haftgrundes werden darin ignoriert. Abgelehnte Asylbewerber*innen, die nie eine Straftat begangen haben, werden wie Straftäter behandelt.

Der, noch nicht mit anderen Ministerien abgestimmte, Gesetzentwurf des BMI ist inhuman und mit dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht in Einklang zu bringen. Darüberhinaus sollen damit auch die – lange erstrittenen und in der Praxis ohnehin restriktiv gehandhabten – Bleiberechtsmöglichkeiten für Geduldete versperrt werden.

Abschiebehaft Büren: Beratungstätigkeit von Hilfsorganisation massiv beeinträchtigt

Büren – Am Donnerstag, 24.01.2019 hat die Gefängnisleitung die neuen Bedingungen für eine unabhängige Beratung der Gefangenen eingeführt. Dadurch wird die Arbeit des Vereins nun noch weiter eingeschränkt.

Seit nunmehr 25 Jahren bietet der Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. Beratung für die Gefangenen in Büren an. In den letzten Monaten haben sich die Bedingungen der Beratung jedoch massiv verschlechtert.

(Link zur Pressemitteilung)

Auch Abgelehnte haben Rechte – Eine systematische Erfassung der rechtswidrigen Abschiebehaftfälle fehlt

Eine bemerkenswert hohe Zahl von Abschiebehaftsfällen erweist sich nachträglich als rechtswidrig. Das zeigen Erkenntnisse eines Flüchtlings-Anwalts und des Bundesgerichtshofs.
Die Bundesregierung hat dazu keine systematische Erfassung.
Hört man sich unter Juristen um, ahnt man die Ursachen der Pannen: Unerfahrene Beamte treffen auf ein kompliziertes Verfahren.

(Bericht der SZ)

Vortrag “100 Jahre Abschiebehaft” in Bielefeld

Datum: 04.02.2019
Uhrzeit: 20:00 Uhr
Ort: Extra-Blues-Bar
Siekerstraße 20, 33602 Bielefeld

Vortag im Rahmen des “Roten Montags”, organisiert u.a. von der Anti-Ra-AG Uni Bielefeld 


100 Jahre Abschiebehaft – 100 Jahre unschuldig in Haft

Infoveranstaltung und Diskussionsrunde im Rahmen des Roten Montag Von und mit der Initiative 100 Jahre Abschiebehaft

In ganz Deutschland werden immer mehr Abschiebeknäste errichtet. In Dessau wird eine ehemalige JVA umgebaut. Die Landesregierung NRW hat beschlossen Deutschlands größten Abschiebeknast, die UfA Büren, weiter auszubauen und Bayern plant neben zwei existierenden, zwei weitere zu bauen. Wer glaubt, Abschiebehaft sei ein eher jüngerer Trend irrt – sie hat eine lange Geschichte in Deutschland. Bereits 1919 wurde die Abschiebehaft in das staatliche Repressionsinstrumentarium gegen nicht erwünschte Menschen aufgenommen. Damaliges Ziel: Jüd*innen. Am 04.02 wird die Initiative „100 Jahre Abschiebehaft“ diese Geschichte in ihrem Vortrag näher beleuchten und dabei sowohl auf die antisemitischen Ursprünge, als auch ihre heutige rassistische Praxis eingehen. Der Vortrag ist Teil einer Kampagne zum einhundertjährigen Bestehen und gegen das Fortdauern der Abschiebehaft in Deutschland, die am 31.08.2019 in einer Großdemonstration gegen Abschiebehaft in Paderborn münden wird. Der Vortrag ist wie immer kostenlos zugänglich.