Rede “100 Jahre Abschiebehaft” bei der Bürendemo in Detmold 2018

2019 wird es mehrere grausame Jährungen geben:

Seit 100 Jahren werden dann Ausländer*innen inhaftiert, allein
um den Behörden die Abschiebung zu erleichtern

Seit dann 25 Jahren ist Büren der größte Abschiebeknast Deutschlands.

Seit dann vor 20 Jahren ist Rashid Sbaai in Büren gestorben, unter nie vollständig aufgeklärten, aber skandalösen Umständen.

100 Jahre Abschiebehaft: Das bedeutet – Gewalt, Willkür und Unrecht!

Wir haben bereits gehört, wie rassistische Sondergesetze zu existenzieller Unsicherheit, Aushebelung der unveräußerlichen Menschenrechte und Zerstörung von Familien und Existenzen führen. Über 2000 Seiten Sondergesetze für ‘Ausländer*innen’.
Diese Gesetze, nach denen u.a. Abschiebehaft angeordnet wird, machen Menschen kaputt. Sie haben unheimlich viel Leid für die Betroffenen, ihre Freund*innen und Familien gebracht!

Und aktuell wird Abschiebehaft weiter ausgebaut, sind neue Abschiebeknäste in Planung oder frisch eröffnet.

So viel Leid durch Paragraphen, die wahnhaft befolgt und ihre Einhaltung nahezu militant eingefordert werden.
Wo kommen diese Gesetze her?

Das führt uns zu “100 Jahre Abschiebehaft”.

Denn Abschiebehaft hat eine grausame Tradition in Deutschland, eine Tradition der Willkür, Gewalt und des Unrechts. Diese zermürbende Praxis wurde vor 100 Jahren von den Preußen vor allem zur Vertreibung der sogenannten Ostjüd*innen eingeführt. Mittels Internierung und Abschiebung sollten die meisten Jüd*innen, die hier vor Pogromen in Osteuropa Schutz suchten und dabei halfen, die Produktion am Laufen zu halten, vertrieben werden oder von selbst verschwinden. Mit der Abschiebehaft wurde eine rechtliche Legitimation dafür geschaffen, Menschen willkürlich wegzusperren und vor allem abzuschrecken. In dem Zusammenhang ist auch zum ersten Mal vom Begriff “Konzentrationslager” die Rede.

Die Abschiebehaft wurde 1938 in der von Heinrich Himmler verfassten Ausländerpolizeiverordnung massiv ausgeweitet.
Mit “Zur Sicherung der Abschiebung kann der Ausländer in Abschiebungshaft genommen werden”
war extreme Willkür möglich und wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen, um Massenausweisungen zu erzwingen. Alleine in den 2 Wochen vor der Reichspogromnacht wurden 18.000 polnische Jüd*innen in Abschiebehaft gesperrt.

Dieses Nazi-Gesetz, die Ausländerpolizeiverordnung, wurde 1951 von der BRD wörtlich übernommen. Begründet wurde es damit, dass diese nun von “einem demokratischen Geist durchdrungen sei” und “formal-rechtlich korrekt zu Stande gekommen ist”.

Es ist absolut erschreckend , wie mit “Abschiebungen” oder “Abschiebehaft” NS-Praktiken weitergeführt und NS-Gesetze verschärft werden, die zum Zwecke der Vertreibung von Millionen von Menschen verfasst wurden!

1965 wurde das Gesetz überarbeitet, da Abschiebungen “aus dem Reichsgebiet” heraus und die Willkür des Paragraphen in einem demokratischen Rechtsstaat nicht vermittelbar waren.
Ziel war auch die Ausweitung der Anwendung.Die Gesetzgebung wurde als Reaktion auf die rassistischen Pogrome Anfang der 1990er Jahren weiter verschärft und erneut massiv zur Anwendung gebracht.

Seit dem ist bei begründetem Verdacht der “Entziehung der Abschiebung” Haft möglich. Haft als dem massivsten Eingriff in die Freiheit des Einzelnen, bis zu 18 Monate.

Im Zuge einer offenen rassistischen menschenfeindlichen Stimmung und Pogromen wurden die Gesetze weiter verschärft, mit der Aushebelung des Grundrechts auf Asyl. Aus dieser Stimmung heraus wurde 1993 die Einrichtung der Abschiebehaft in Büren beschlossen.

Statt sich von einer Praxis mit so einer Geschichte zu verabschieden, soll sie sogar noch ausgeweitet werden:
25 Jahre nach Eröffnung der Haftanstalt in Büren möchte NRW die Haftbedingungen weiter verschärfen.
Andere Bundesländer planen Verschärfungen der Haftbedingungen.
Deutschlandweit werden neue Abschiebehaftanstalten geplant. Allein in Passau soll ein neues “Super”-Gefängnis mit über 200 Haftplätzen entstehen, 2019 soll 100 Jahre nach dem 1. Abschiebeknast in Ingolstadt in Hof ein weiterer eröffnet werden.

Das alles erleben wir, während rechtsextreme Pogrome stark zunehmen – beflügelt von Marginalisierung und gezielter Hetze von Medien und führenden Politiker*innen (in Europa).

In den vergangenen 100 Jahren gingen in Deutschland rechtliche Marginalisierung und rassistischen Pogromen Hand in Hand.
Es darf nicht sein, dass die dass die Gesetzgebung rechtsextremer Gewalt nachgibt und die Betroffenen rechtsextremer Pogrome noch weiter marginalisiert werden!

Es wird Zeit, dem aufkommenden Faschismus und rassistischen Oppression entgegenzutreten:
Auch und gerade durch Abschaffung rassistischer Sondergesetze!

Es kann nicht sein, dass Gesetze, die geschaffen wurden mit dem verbrecherischen Ziel, möglichst alle Jüd*innen aus Deutschland zu vertreiben, immer noch in einem “demokratischen Rechtsstaat” zur Anwendung kommen!

Es darf nicht sein, dass Menschen aufgrund von NS-Gesetzen inhaftiert werden in Gefängnisse wie hier in Büren, die im Zuge von Pogromen und rassistischer Morde entstanden sind.

Wir fordern daher lautstark:

Ersatzlose Abschaffung der Abschiebehaft! Schließt Büren, schließt alle Abschiebeknäste!

Eine Haft, die die Durchführung der Deportation über das Wohl des Menschen und seine Freiheitsrechte stellt, halten wir für unerträglich.

Ebenso ist es aber gerade jetzt wichtig, immer wieder zu betonen, dass wir Abschiebungen unerträglich finden:

Diese menschenverachtende Praxis stellt für Unzählige eine beständige existenzielle Bedrohung dar. Sie zerstört Lebensgemeinschaften und Menschen. Aktuell macht sie werdenden Eltern und Kindern das Leben zur Hölle, weil Ausländerbehörden werdende Kinder als Angriff auf ihre Abschiebungspläne verstehen und entsprechend handeln.

So viele völlig vergeudete Ressourcen, soviel Aufwand, nur um Menschen zu vertreiben – dabei sind Abschiebungen nicht imstande, auch nur ein einziges Problem global zu lösen! Kein einziges!
Nutzen wir diese Ressourcen stattdessen für die Menschen, für die Umwelt – zum Schutz der Umwelt, zur Pflege, Bildung und Integration – statt in gesellschaftlich zersetzende Apparate!

Für eine solidarische und gerechte Gesellschaft.

Schluss mit all diesen Behörden und Gesetzen, die Menschen zerstören und ihre Potenziale ersticken! Schluss mit allen Abschiebungen!

Schluss mit der Internierung in Lagern! Und Schließung aller Abschiebeknäste!

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