(Pressemitteilung des Niedersächsischen Flühtlingsrates)
In Niedersachsen wurden kürzlich Strafgefangene im Abschiebungshaftgefängnis inhaftiert. Die gemeinsame Inhaftierung von Abschiebungshaft- und Strafgefangenen sei rechtswidrig, meinen das Amts- und Landgericht Hannover. Das letzte Wort hierzu hat nun erneut der Europäische Gerichtshof (EuGH).
Bereits im Jahr 2014 entschied der Europäische Gerichtshof in
einem Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, dass
Abschiebungshaftgefangene nicht in Strafanstalten und nicht zusammen mit
Strafgefangenen inhaftiert werden dürfen, sondern stets in speziellen
Hafteinrichtungen untergebracht werden müssen. Dennoch setzte die
schwarz-rote Bundesregierung dieses Trennungsgebot im August 2019 mit
dem sog. „Geordnete-Rückkehr-Gesetz” befristet bis zum 30. Juni 2022
aus. Demnach soll es nunmehr ausreichen, Abschiebungshaftgefangene
getrennt von Strafgefangenen unterzubringen (§ 62 Abs. 1 S. 1 AufenthG).
Auf Grundlage dieser neu geschaffenen
Regelung inhaftierte das niedersächsische Justizministerium in einem
Gebäude auf dem Gelände des zentralen Abschiebungshaftgefängnisses in
Langenhagen bis zum 02. Oktober 2020 Strafgefangene.
Muzaffer Öztürkyilmaz, Referent des Flüchtlingsrats Niedersachsen:
„Wir sind enttäuscht darüber, dass
Justizministerin Havliza ihr Versprechen, in der JVA Langenhagen
ausschließlich Abschiebungshaftgefangene zu inhaftieren, gebrochen hat.
Anstatt für viel Geld leerstehende Gebäude zu restaurieren, um
Strafgefangene zu inhaftieren, sollte in die Verbesserung der
Vollzugsbedingungen für die Abschiebungshaftgefangenen investiert
werden.”
Nach Auffassung des Amtsgerichts
Hannover verstößt die gemeinsame Inhaftierung von Straf- und
Abschiebungshaftgefangenen gegen Art. 16 der sog.
Rückführungsrichtlinie, weshalb es dem europäischen Gerichtshof mit Beschluss vom 22. Oktober 2020 verschiedene Fragen zur Entscheidung vorlegte, der nun abschließend über diese entscheiden muss.
Rechtsanwalt Peter Fahlbusch (Hannover):
„Die Bundesregierung hat die
Aussetzung des Trennungsgebots damit begründet, dass es zu wenig
Abschiebungshaftplätze gäbe. Es fragt sich, was das für ein
Abschiebungshaftplatznotstand sein soll, wenn ganze Gebäude in
Abschiebungshaftgefängnissen leerstehen, sodass dort sogar Platz für die
Inhaftierung von Strafgefangenen ist.”
Das Landgericht Hannover hat es sich
ein einem anderen Verfahren einfacher gemacht und am 12. Oktober 2020
schlicht entschieden, dass die angeordnete Haft rechtswidrig war, weil in Langenhagen „neben dem Vollzug der Abschiebungshaft auch Freiheitsstrafen vollstreckt” wurden.
Die beiden Gefangenen, in deren
Verfahren die Entscheidung des Amts- bzw. Landgerichts fiel, sind
weiterhin inhaftiert. Da die Strafgefangenen am 02. Oktober 2020 verlegt
wurden, spreche aus Sicht der Gerichte nichts gegen ihre weitere
Inhaftierung.