Wie der Spiegel berichtet, haben sich SPD und Union auf ein Hau-Ab-Gesetz (‘Geordnete-Rückkehr-Gesetz’) verständigt. Dabei sind sogar noch weitere Verschlimmerungen zum ursprünglichen Entwurf hineingekommen, wie Aufbrechen von Wohnungen ohne richterlichen Beschluss bei Abschiebungen, Lager-Zwang Ausweitung von Lager-Zwang auf anderthalb Jahre, Arbeitsverbote bis zu 9 Monate und und Ausreisegewahrsam für alle ausreisepflichtigen Geflüchteten.
Am Montag, dem 03. Juni 2019, werden in 2 Ausschüssen des Bundestages eine fülle von Gesetzesverschärfungen behandelt – unter anderem das Geordnete Rückkehr-Gesetz. Es steht zu befürchten, dass das Geordnete-Rückkehr-Gesetz noch vor der Sommerpause durchgewunken wird.
Polizeieinsatz nach Demonstration am 11. Mai 2019 in der
Abschiebehaft in Pforzheim. Fesselung und Isolation. Wir fordern
Aufklärung!
Petition an den Landtag von Baden-Württemberg
Sehr geehrte Frau Vorsitzende Böhlen, Sehr geehrte Damen und Herren des Petitionsausschusses
Petitionstext
| Mit der Eingabe dieser Petition stellen wir den Antrag auf 1.-) eine
sofortige Untersuchung der polizeilichen Übergriffe am 11.05.2019 und
der nachfolgenden Sanktionen (insbesondere der Einzelhaft) gegen
inhaftierte Geflüchtete in der Abschiebehaft in Pforzheim 2.-) eine
unabhängige Anhörung der Betroffenen und die Aussetzung der
Abschiebungen von Betroffenen, die zur Klärung der Vorfälle beitragen
können 3.-) die Abschaffung der Abschiebehaft in Baden-Württemberg.
Wir rufen dazu als Gruppe oder Einzelperson die Eingabe der PETITION zu unterstützen.
Termin: Freitag, 24. Mai 2019 von 16 – 19 Uhr Ort: Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin Referent: Peter Fahlbusch, Rechtsanwalt und Mitglied im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
Derzeit setzt Brandenburg verstärkt eine Politik um, deren Ziel es ist, die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen. Dies geschieht zum einen durch die monatelange Isolation in der Erstaufnahmeeinrichtung, aus der die weit größte Zahl der Abschiebungen stattfindet. Zum anderen wird im Sommer 2019 ein Ausreisegewahrsam am Flughafen Schönefeld in Betrieb genommen und voraussichtlich im kommenden Jahr die Abschiebungshaft wiedereröffnet. Im geplanten Ausreisegewahrsam gibt es keinen regelmäßigen Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung und keinen Kontakt mit Ehrenamtlichen und der Zivilgesellschaft. Der Ausreisegewahrsam ist Teil der Erstaufnahmeeinrichtung in Brandenburg, die inzwischen die meisten Charakteristiken eines Ankerzentrums erfüllt und wo viele Asylsuchende zu Unrecht für die gesamte Dauer ihres Asylverfahrens bleiben müssen. Auch hier gibt es keine unabhängige Beratung und kaum Zugang zu ehrenamtlicher Unterstützung. In seinem Vortrag wird der Rechtsanwalt Peter Fahlbusch über die politische und rechtliche Geschichte von Abschiebehaftanstalten sprechen, aus seiner Beratungspraxis berichten und die geplanten rechtlichen Verschärfungen auf Bundesebene beleuchten. Er vertritt seit vielen Jahren Menschen in Abschiebehaft und macht immer wieder darauf aufmerksam, dass in rund 50% der von ihm vertretenen Fälle die Haft rechtswidrig angeordnet wurde. Anschließend wollen wir uns über die Umsetzung in Brandenburg austauschen. Was kann gegen die Pläne der Landesregierung, Menschen zukünftig wieder zum Zweck der Abschiebung zu inhaftieren, unternommen werden? Wie gehen wir dagegen vor, dass Menschen rechtswidrig ihrer Freiheit beraubt oder monatelang in der Erstaufnahme isoliert werden, um Abschiebungen durchzusetzen?
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg reagiert mit Verwunderung auf die Äußerungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe bezüglich der Bedingungen in der Abschiebehaft in Pforzheim. Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg und Mitglied der AG Abschiebehaft Pforzheim, sagt hierzu:
„Mehrere Aussagen des Regierungspräsidiums, die im Zuge der Berichterstattung zur Pressekonferenz der AG Abschiebehaft am 8. Mai 2019 gemacht worden, sind grob irreführend bis eindeutig wahrheitswidrig.”
Bezüglich der Kritik, dass keine Räume für Beratungsgespräche zur Verfügung stehen, und die Berater*innen und Seelsorger nur in den Besuchszellen mit den Inhaftierten sprechen, sagt das Regierungspräsidium gegenüber dem SWR:
„Einen speziellen Raum gebe es aus Kapazitätsgründen nicht. […] Zudem sei das auch in anderen Abschiebehaftanstalten in Deutschland so geregelt.”
Auf Nachfrage des Flüchtlingsrats haben Personen, die in anderen Bundesländern in der Beratung in der Abschiebehaft tätig sind, Folgendes berichtet:
Die ökumenische Beratungsstelle in der Abschiebehafteinrichtung Ingelheim (Rheinland-Pfalz) hat ein eigenes Büro innerhalb der Hafteinrichtung, das zu festen Zeiten besetzt ist. In der Abschiebehafteinrichtung Langenhagen (Niedersachsen) bietet der Flüchtlingsrat Niedersachsen zu festen Zeiten Beratung an, die in einem Konferenzraum stattfinden und nicht in den Besuchsräumen. In der Abschiebehafteinrichtung Eichstätt (Bayern) ist ein Berater des Jesuiten-Flüchtlingsdiensts einmal wöchentlich zur gleichen Zeit präsent, um in der Freizeithalle, wo Inhaftierte Zugang zu Sport- und Freizeitangeboten haben, Beratung anzubieten. In der Abschiebehafteinrichtung Erding (Bayern) führt der Jesuiten-Flüchtlingsdienst im Büro des Sozialdienstes Beratungsgespräche durch. Das Regierungspräsidium möchte die Pforzheimer Verhältnisse als Normalität erscheinen lassen. Wir sagen ganz deutlich: Das was in dieser Einrichtung passiert, ist nicht normal – hier werden Rechte verwehrt, die in anderen Bundesländern – sogar in Bayern – gewährt werden.
Bezüglich der Nichterlaubnis religiöser Feierlichkeiten wird das Regierungspräsidium in der Pforzheimer Zeitung vom 10. Mai zitiert mit den Worten:
„Der Leiter der Abschiebehaft lehne auch keine interreligiösen Angebote ab. Es gebe allerdings kaum Nachfrage danach.”
Wer auch immer diese Aussage getätigt hat, sagt entweder bewusst die Unwahrheit oder ist falsch informiert.
Im Dezember 2016 gab es die erste und letzte interreligiöse Friedenslichtfeier in einem Gemeinschaftsraum, der früher in der JVA als Gottesdienstraum genutzt wurde. Eine Anfrage seitens der Seelsorger, eine ähnliche Feier zu Pfingsten 2017 durchzuführen, wurde vom Anstaltsleiter Herrn Paukner abgelehnt – ebenso spätere Anfragen ähnlicher Art.
Wenn das Regierungspräsidium behauptet, es würde kaum Interesse an einer solchen Feier geben, dann liegt dies daran, dass das Angebot den Inhaftierten nicht bekannt ist. Ein entsprechender Infoflyer zu den seelsorgerischen Angeboten wurde trotz Zusage der Anstaltsleitung augenscheinlich nicht an die Inhaftierten verteilt – zumindest hat kein einziger Inhaftierter auf Anfrage der Berater*innen und Seelsorger hin angegeben, den Flyer gesehen zu haben. Wenn einzelne Inhaftierte im direkten Gespräch gefragt werden, ob sie Interesse an einer interreligiösen Feier hätten, ist die Resonanz in aller Regel sehr positiv.
Zudem werden nicht nur interreligiöse Feierlichkeiten, sondern auch solche für Personen der gleichen Religion, nicht erlaubt werden. Wünschen sich beispielsweise – und der Fall ist tatsächlich vorgekommen – mehrere katholische Insassen die Teilnahme an einem Gottesdienst, ist es dem Seelsorger nicht erlaubt, sich mit ihnen in einem Raum zu versammeln. Stattdessen muss er mit jedem einzelnen nacheinander jeweils zu zweit den Gottesdienst zelebrieren. Dies widerspricht dem christlichen Gemeinschaftsgedanken, aber auch Artikel 18 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, wonach jeder Mensch das Recht hat, auch in Gemeinschaft mit anderen den Glauben zu bekennen.
Bezüglich der ebenfalls in der Pforzheimer Zeitung zitierten Behauptung des Regierungspräsidiums:
„Die Untergebrachten werden bei Bedarf umfassend medizinisch versorgt. Dies beinhaltet auch Vorstellungen bei Fachärzten und Krankenhäusern bis hin zu Psychiatrien.”
kann auf den bereits bei der Pressekonferenz geschilderten Fall verwiesen werden, in dem ein Seelsorger einen dringend benötigter Augenarzttermin für einen Inhaftierten organisierte, und die Verantwortlichen in der Haftanstalt es dem Inhaftieren nicht ermöglichten, diesen Termin wahrzunehmen. Des Weiteren müssen die Mitglieder der AG Abschiebehaft regelmäßig erfahren, dass es keinerlei psychologische oder psychiatrische Betreuung gibt – was sich aufgrund der extrem belastenden Situation, in der sich die Inhaftierten befinden als absolut verantwortungslos bezeichnet werden muss.
Am
heutigen Donnerstag (16.5.2019) findet die erste Lesung des Geordneten
Rückkehrgesetzes im Deutschen Bundestag. Die Kampagne 100 Jahre
Abschiebehaft kritisiert das Gesetz scharf. Es wird zu einer massiven
Ausweitung der Anwendung von Abschiebehaft führen.
Innenminister
Horst Seehofer plant seit seiner Amtseinführung an Gesetzen, welche die
Situation von geflüchteten Menschen verschlechtern. Als nächstes Gesetz
soll das Geordnete-Rückführungs-Gesetz eingeführt werden.
Durch
das Gesetz sind Ausschluss gesellschaftlicher Teilhabe durch eine
‚Duldung light‘ sowie eine massive Ausweitung von Abschiebehaft geplant.
Unter anderem soll eine Beugehaft neu aufgenommen werden, um
geflüchtete Menschen zu zwingen, bei ihrer Identitätsfeststellung
mitzuwirken. Sie können hierzu bis zu zwei Wochen inhaftiert werden.
Erneut
eingeführt werden soll, dass Abschiebegefangene und Strafgefangene
zusammen in ein Gefängnis untergebracht werden dürfen. Solch eine
Gesetzespassage hat es bereits einmal in Deutschland gegeben. Der
Europäische Gerichtshof hat jedoch im Jahre 2014 geurteilt, dass dieses
nicht mit der europäischen Rückführungsrichtlinie übereinstimmt und
daher unrechtmäßig ist. Daher haben bereits im Vorfeld elf Innenminister
der Länder erklärt, dieses nicht anwenden zu wollen. Seehofer beruft
sich nun auf einen Passus in der Rückführungsrichtlinie, wonach dieses
in einem Notstand vorübergehend möglich ist. „Wo Seehofer diesen
Notstand nun sieht, bleibt vollkommen unklar. Deutschland hat bereits
jetzt mehr als ausreichend Haftplätze für Abschiebegefangene und weitere
Abschiebegefängnisse sind in Bau“, so Frank Gockel, Pressesprecher der
Kampagne 100-Jahre-Abschiebehaft.
Der
erste Referentenentwurf sah noch vor, dass Menschen ohne richterlichen
Beschluss bis zu 10 Tage inhaftiert werden durften. Dieses wurde
zwischenzeitlich geändert. „Dieses macht deutlich, dass Seehofer zur
Bekämpfung von Flüchtlingen sogar bereit ist, dass Grundgesetz und den
Rechtsstaat zu missachten“, so Gockel.
Am
16.5.2019 wird das Gesetz in erster Lesung im Bundestag behandelt. Die
Kampagne 100 Jahre Abschiebehaft hofft, dass die anderen Parteien sich
intensiv mit dem Gesetz auseinandersetzen. Aus ihrer Sicht kommt es nun
darauf an, dass die SPD standhaft bleibt. „Sie muss sich nun
entscheiden, ob sie der Orbanisierung der CSU/CDU blind folgt oder sich
an Grund- und Menschenrechten orientiert, um geflüchteten Menschen
gerecht zu werden“, so Gockel.
Gockel
weiter: “Die rechtsstaatlichen Institutionen und Prinzipien, mit denen
offen gebrochen werden sollen, nur um Entrechtung und Ausgrenzung
durchzusetzen, ist unerträglich! Wir schließen uns der Aufforderung von
PRO ASYL und Landesflüchtlingsräten an und fordern die Abgeordneten dazu
auf, das Gesetz abzulehnen.”
Deutschland
steht wegen seiner Abschiebungspraxis in der Kritik. Eine Delegation
des Europarates bemängelt, dass die Betroffenen nicht rechtzeitig
informiert würden. Das Anti-Folter-Komitee des Europarats (CPT) kritisiert,
dass Abschiebungen aus Deutschland den Betroffenen häufig zu
kurzfristig angekündigt werden, und fordert, dass Betroffene auch in
Abschiebehaft wissen müssen, wann sie Deutschland verlassen müssen. Es
sei unerlässlich, dass den Menschen rechtzeitig mitgeteilt werde, dass
sie Deutschland verlassen müssten. Nur so könnten sich die Menschen
psychisch mit der Situation auseinandersetzen.
Die CPT-Expert_innen kritisierten im Übrigen Misshandlungen von afghanischen Geflüchteten im Rahmen einer Abschiebung ach Afghanistan von August 2018: Einem von sechs Polizisten festgehaltenen Mann habe ein Polizist einen Arm gegen den Hals gedrückt, was seine Atemfähigkeit eingeschränkt habe. Ein anderer Polizist habe dem am ganzen Körper mit Klebeband Gefesselten mehrmals für längere Zeit die Genitalien gequetscht. Ein solches Vorgehen sei „unverhältnismäßig und unangemessen“. Deutschland müsse „sofort Maßnahmen ergreifen“, um die Anwendung dieser Techniken zu unterbinden.
Im Weiteren kritisiert das Anti-Folter-Komitee die Situation in der Abschiebehaft im bayerischen Eichstätt. Die ehemalige Strafhaftanstalt sei nicht an die speziellen Bedürfnisse der Gefangenen angepasst worden. Das Anti-Folter-Komitee fordert ein System der offenen Türen, Zugang zu Tagesaktivitäten, mindestens eine Stunde Hofgang für alle Gefangenen, die Erlaubnis zu telefonieren und Besuch zu empfangen, wirksamere Maßnahmen zur Vorbeugung von Selbstverletzung und Suizid. Zudem solle die Privatsphäre besser geschützt und es unterlassen werden, den Toilettenbereich unverpixelt mit Überwachungskameras zu filmen. Außerdem könnten die Insassen nicht direkt einen Arzt sprechen, sondern müssten einen Termin erst bei einem der Aufpasser anmelden, wie der Bericht bemängelte.
Die Delegation forderte in ihrem Bericht, dass an Abschiebungen beteiligte Polizisten eine Kennzeichnung tragen müssen. Bei der begleiteten Ausweisung aus Bayern sei das nicht der Fall gewesen.
Am heutigen Donnerstag
(16.5.2019) findet die erste Lesung des Geordneten Rückkehrgesetzes im
Deutschen Bundestag. Die Kampagne 100 Jahre Abschiebehaft kritisiert das
Gesetz scharf. Es wird zu einer massiven Ausweitung der Anwendung von
Abschiebehaft führen.
Innenminister
Horst Seehofer plant seit seiner Amtseinführung an Gesetzen, welche die
Situation von geflüchteten Menschen verschlechtern. Als nächstes Gesetz
soll das Geordnete-Rückführungs-Gesetz eingeführt werden.
Durch
das Gesetz sind Ausschluss gesellschaftlicher Teilhabe durch eine
‚Duldung light‘ sowie eine massive Ausweitung von Abschiebehaft geplant.
Unter anderem soll eine Beugehaft neu aufgenommen werden, um
geflüchtete Menschen zu zwingen, bei ihrer Identitätsfeststellung
mitzuwirken. Sie können hierzu bis zu zwei Wochen inhaftiert werden.
Erneut
eingeführt werden soll, dass Abschiebegefangene und Strafgefangene
zusammen in ein Gefängnis untergebracht werden dürfen. Solch eine
Gesetzespassage hat es bereits einmal in Deutschland gegeben. Der
Europäische Gerichtshof hat jedoch im Jahre 2014 geurteilt, dass dieses
nicht mit der europäischen Rückführungsrichtlinie übereinstimmt und
daher unrechtmäßig ist. Daher haben bereits im Vorfeld elf Innenminister
der Länder erklärt, dieses nicht anwenden zu wollen. Seehofer beruft
sich nun auf einen Passus in der Rückführungsrichtlinie, wonach dieses
in einem Notstand vorübergehend möglich ist. „Wo Seehofer diesen
Notstand nun sieht, bleibt vollkommen unklar. Deutschland hat bereits
jetzt mehr als ausreichend Haftplätze für Abschiebegefangene und weitere
Abschiebegefängnisse sind in Bau“, so Frank Gockel, Pressesprecher der
Kampagne 100-Jahre-Abschiebehaft.
Der
erste Referentenentwurf sah noch vor, dass Menschen ohne richterlichen
Beschluss bis zu 10 Tage inhaftiert werden durften. Dieses wurde
zwischenzeitlich geändert. „Dieses macht deutlich, dass Seehofer zur
Bekämpfung von Flüchtlingen sogar bereit ist, dass Grundgesetz und den
Rechtsstaat zu missachten“, so Gockel.
Am
16.5.2019 wird das Gesetz in erster Lesung im Bundestag behandelt. Die
Kampagne 100 Jahre Abschiebehaft hofft, dass die anderen Parteien sich
intensiv mit dem Gesetz auseinandersetzen. Aus ihrer Sicht kommt es nun
darauf an, dass die SPD standhaft bleibt. „Sie muss sich nun
entscheiden, ob sie der Orbanisierung der CSU/CDU blind folgt oder sich
an Grund- und Menschenrechten orientiert, um geflüchteten Menschen
gerecht zu werden“, so Gockel.
Gockel
weiter: “Die rechtsstaatlichen Institutionen und Prinzipien, mit denen
offen gebrochen werden sollen, nur um Entrechtung und Ausgrenzung
durchzusetzen, ist unerträglich! Wir schließen uns der Aufforderung von
PRO ASYL und Landesflüchtlingsräten an und fordern die Abgeordneten dazu
auf, das Gesetz abzulehnen.”
In
zehn Bundesländern waren am vergangenen Wochenende Menschen gegen
Abschiebehaft und das Geordnete-Rückkehr-Gesetz auf der Straße. Sie
forderten ein Ende der hundertjährigen Geschichte der Abschiebehaft. In
Pforzheim wurde ein Inhaftierter gewaltsam daran gehindert, per Telefon
an der Demonstration teilzunehmen.
Knapp
2.000 Leute demonstrierten vergangenes Wochenende in Berlin, Büren,
Darmstadt, Halle, Dessau, Dresden, Glückstadt, Eichstätt,
Hannover-Langenhagen, Mainz und Pforzheim gegen Abschiebehaft. Neben
Demonstrationen gab es ein Straßenfest in Dessau und eine Fahrraddemo in
Glückstadt. Auf verschiedene Weise nahmen Inhaftierte in einigen
Städten mit den Demonstrant*innen Kontakt auf. Per Telefon, durch das
Klopfen an Fensterscheiben oder durch das Herausstrecken von Händen
durch die Gitterstäbe. “Gewöhnliche Demonstrationen waren das nicht.
Teilnehmer*innen erzählten, dass diese Momente sie sehr berührt und in
ihrem Aktivismus bestärkt haben hätten” führt Gockel aus:
“Ehrenamtliche Initiativen, kirchliche Gemeinden, Schutzsuchende,
antifaschistische Netzwerke, Asylberater*innen – unsere Kampagne wird
von einem breiten, zivilgesellschaftlichen Bündnis getragen.” so Frank Gockel, Pressesprecher der Kampagne 100 Jahre Abschiebehaft.
Erst
kürzlich hatte das Anti-Folter-Komitee des Europarats die Bedingungen
der Haftanstalt Eichstätt deutlich kritisiert. Die nationale
Folterkommission übte zudem bereits 2018 massive Kritik an den Zuständen
im Darmstädter und Bürener Abschiebegefängnis. Unter anderem sei in
Eichstätt nicht in ausreichendem Maße für Suizidprävention gesorgt. “Eine
Bewertung, die für Abschiebehaft überhaupt gilt. Als Haft ohne Straftat
ist sie eine enorme Belastung für die Betroffenen, die dort in hohem
Maße Retraumatisierungen ausgesetzt sind.” so Gockel.
Obwohl
Abschiebehaft sich deutlich von Strafhaftvollzug unterscheiden muss,
gibt es zahlreiche Berichte von willkürlichen Zwangsmaßnahmen und
Isolierhaft. In Pforzheim zeigte sich dies während der Demonstrationen
ganz plastisch: Als ein Inhaftierter im dortigen Abschiebegefängnis per
Telefon zur Demonstration geschaltet werden wollte, um von seinem Recht
auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen, stürmten 30 Beamt*innen
seine Zelle, und ordneten ihm bis Montag, 13. Mai, Isolationshaft an. “Hier
zeigt sich auf beschämende Weise das Unrecht, das Geflüchteten
insbesondere in Abschiebehaft widerfährt: Sie werden aus
Verwaltungsgründen weggesperrt und mit aller Gewalt wird ihnen dabei ihr
Recht auf freie Meinungsäußerung genommen! Das ist bar jeglicher
Rechtsstaatlichkeit“, befindet Gockel.
Die SPD will in Berlin und Brandenburg die Abschiebehaft ausweiten. Flüchtlingsinitiativen rufen zum Protest am geplanten neuen Knast auf. Berlin soll wieder ein reguläres Abschiebegefängnis bekommen. Der im September 2018 eröffnete Abschiebegewahrsam speziell für Gefährder solle laut Senatsverwaltung für Inneres künftig auch für reguläre Abschiebehaft von Menschen genutzt werden.
Im März 2019 sei lediglich eine Person in der Gefährder-Abschiebehaftanstalt eingesperrt gewesen, im April 2019 blieb diese komplett leer.
Rot-Rot-Grün wird aufgefordert, sich auf Bundesebene für die Abschaffung der Abschiebehaft einzusetzen.
Von INTV gibt es eine Video-Reportage mit Eindrücken von der Demo in Eichstätt am 11.05. gegen Abschiebehaft und mit Statements, warum dort demonstriert wird.
Vergangenen Donnerstag hat das Anti-Folter-Komitee des Europarats die Abschiebehaft in Bayern und ganz konkret die Vorgehensweise in der Eichstätter Anstalt kritisiert. Dort werden Flüchtlinge, die drohen unterzutauchen, bis zu ihrer Abschiebung festgehalten. Mit einem Demonstrationszug durch die Eichstätter Innenstadt prangert das Aktionsbündnis die Zustände dort an und beteiligt sich an der bundesweiten Kampagne „100 Jahre Abschiebehaft – 100 Jahre unschuldig in Haft“.
Von Aktion Bleiberecht gibt es einen Demo-Nachbericht vom 11. Mai in Pforzheim.
Dabei wurde ein Inhaftierter zugeschaltet:
Er erklärte, dass er unschuldig im Gefängnis sitzt und seine zwei Kinder hier in Deutschland leben. Weiterhin sagte er, dass sich alle im Gefängnis sehr diskriminiert fühlen und nicht verstehen warum sie inhaftiert sind. Niemand habe eine Straftat begangen.
Es kam zu Repressionen gegen die Inhaftierten:
Zu beobachten war, dass etwa 10 bis 12 behelmte Polizisten, die zur Demonstration eingesetzt waren, in das Gefängnisgebäude stürmten. Danach fuhren noch drei Polizeifahrzeuge mit Blaulicht vor dem Abschiebegefängnis vor. Später gab es die Information, dass die Gefangenen in ihre Zellen gedrängt wurden und diese bis Montag nicht mehr verlassen dürfen. Normalerweise dürfen sich die Geflüchteten „von morgens bis zum Einschluss um 22 Uhr frei bewegen, müssen sich also nicht in ihrem Zimmer aufhalten.
Hier findet ihr einen ausführlichen Bericht über die Situation in ANKER-Zentren am Beispiel Bamberg. Im Kontext der Kampagne 100 Jahre Abschiebehaft fand am 6. Mai dort eine Demonstration “No Lager!” in Bamberg statt. Auch die Schlussfolgerung im Artikel ist: “Ihr müsst dieses Lager schließen!”
Bericht der DNN: Etwa 250 Menschen haben am Sonnabend gegen Abschiebehaft demonstriert. Sie forderten, den Gewahrsam abzuschaffen. Anlass für die Demo war das 100. Jubiläum der Abschiebehaft. Die Dresdner Abschiebe-Haftanstalt ist seit Dezember 2018 in Betrieb. Wie viele Menschen darin inhaftiert sind, ist nicht bekannt.
Arbeitsgruppe
kritisiert mangelnde Kontrolle und zahlreiche Missstände in
Pforzheimer Haftanstalt
Die
Arbeitsgruppe Abschiebehaft Pforzheim ist besorgt über die Situation
in Baden-Württembergs Abschiebehafteinrichtung. Bei einem
Pressegespräch am Mittwoch informierte die Gruppe aus haupt- und
ehrenamtlich Tätigen über ihre Erfahrungen in der Arbeit mit
Menschen in Abschiebehaft, und beklagten dabei gravierende Mängel.
Weil
die Abschiebehaft keine Strafhaft ist, sondern „lediglich” der
Sicherung der Abschiebung dient, müssten die Bedingungen innerhalb
der Haftanstalt eigentlich weniger restriktiv sein als die für
Personen, die wegen begangener Straftaten hinter Gitter sitzen. Doch
in Pforzheim sei dies nicht der Fall, eher im Gegenteil – so die AG
Abschiebehaft, die sich Mitte April mit einem offenen Brief an
Verantwortliche in Politik und Verwaltung gewandt hat, um die
festgestellten Missstände anzuprangern.
„Aus
Statistiken von Anwälten und Beratungsstellen ist bekannt, dass ein
erheblicher Anteil der Inhaftierungen in der Abschiebehaft – rund
50% – rechtswidrig sind”,
erklärte Christian Schmidt vom Forum Asyl Pforzheim. Umso wichtiger
ist es nach Überzeugung der Arbeitsgruppe, dass die Inhaftierten
Zugang zu Unterstützung und Beratung haben. Doch dies werde in
Pforzheim massiv erschwert.
„Wir
würden gerne kontrollieren, ob die Inhaftierungen rechtmäßig sind.
Aber ich kann nicht einfach reingehen und eine offene Beratungsstunde
anbieten, sondern werde wie eine normale Besucherin behandelt und
kann immer nur gezielt eine bestimmte Person besuchen, dessen Namen
ich kenne. So können nur diejenigen beraten werden, die auf uns
zukommen. Wer nicht von unserem Angebot weiß, kann auch keine
unabhängige Beratung erhalten”,
berichtete Kirsten Boller, die im Auftrag von Caritas und Diakonie
als Kontakt- und Beratungsstelle in der Abschiebehaft fungiert.
„Viele
der Inhaftierten verstehen die Verfahren nicht und verstehen nicht,
warum sie im Gefängnis sitzen, ohne eine Straftat begangen zu
haben”,
betonte Anna Roß von Amnesty International. Aus ihrer Sicht müssten
Inhaftierte in der Abschiebehaft Pflichtverteidiger zugeteilt
bekommen – so wie es in Strafsachen vorgeschrieben ist. Die
ehrenamtliche Beraterin berichtete von Fällen, in denen Väter von
Patchwork-Familien oder von ungeborenen Kindern in der Abschiebehaft
saßen. Auch Traumatisierte oder chronisch Kranke seien keine
Seltenheit.
„Eine
dringend notwendige psychologische Betreuung findet faktisch nicht
statt. Ähnlich sieht es bei schweren physischen Krankheiten und
Verletzungen aus”,
berichtete Pfarrer Andreas Quincke, der evangelische Seelsorger in
der Hafteinrichtung. Er schilderte einen Fall, in dem er einen
dringend benötigen Augenarzttermin für einen Inhaftierten
organisierte, die Zuständigen in der Abschiebehaft sich einfach
weigerten, den Betroffen dort hinzubringen.
„Mit
den Kranken ist es ähnlich wie mit den auf rechtlich fragwürdiger
Grundlage Inhaftierten, die mangels Zugang zu Beratung und
anwaltlicher Unterstützung nichts gegen ihre Inhaftierung
unternehmen können: Der Anstaltsleitung scheint es ganz recht zu
sein, dass da niemand zu genau hinschaut. Im Zweifel hat man dann
eben eine Abschiebung mehr erreicht – das gilt ja heutzutage
grundsätzlich als Erfolg”,
so Pfarrer Quincke.
Die
fehlende Transparenz, die nach Auffassung der AG Abschiebehaft
durchaus von verantwortlicher Stelle gewollt zu sein scheint,
kritisiert auch Christian Schmidt vom Forum Asyl Pforzheim. Anfangs
habe man Hoffnungen in den gesetzlich vorgeschriebenen Beirat
gesetzt, der formal das Recht hat, unangemeldete Besuche
durchzuführen und die Inhaftierten in ihren Zellen aufzusuchen.
„Diese Hoffnung hat sich schnell erledigt, denn der Beirat führt
lediglich nach Absprache mit der Anstaltsleitung angemeldete Besuche
durch und unterbreitet den Verantwortlichen unverbindliche
Anregungen, die diese folgenlos ignorieren können. Der Beirat kann
eventuelle Kritik oder Missstände nicht nach außen tragen, wenn die
Anstaltsleitung und das Innenministerium nichts unternehmen. Deshalb
hat dieser Beirat lediglich eine Alibi-Funktion”, so
Schmidt.
Kirsten
Boller betonte, dass das, was die Arbeitsgruppe in Pforzheim fordert,
keineswegs illusorisch sei. In anderen Bundesländern sei es absolut
normal, dass es in der Haftanstalt ein eigenes Büro für eine
unabhängige Beratungsstelle gibt, die regelmäßige offene
Sprechstunden anbieten kann.
Woanders
üblich und völlig unstrittig ist auch das Recht auf die Abhaltung
religiöser Feiern. Doch in Pforzheim endet auch dieses Recht an der
Gefängnispforte, wie Andreas Quincke beklagt: „Im
Abschiebehaftgesetz steht zum Thema Religion leider nur ein Satz:
Dass die Inhaftierten das Recht auf Kontakt zu einem Seelsorger ihrer
Religion haben. Die maximal restriktive Linie der Anstaltsleitung
sieht so aus, das genau dies gewährt wird, aber auch wirklich nur
dies. Das heißt, dass Seelsorge nur in Einzelgesprächen stattfinden
kann. Ein christlicher Gottesdienst, ein islamisches Freitagsgebet
oder auch eine interreligiöse Feier, wo sich mehrere Personen
versammeln – all diese Sachen sind in jeder Justizvollzugsanstalt
völlig normal, doch hier werden sie ohne Begründung schlicht
untersagt. Das halte ich für einen Skandal.” Die Seelsorger
werden ebenfalls wie besuchende Privatpersonen behandelt, während in
anderen Abschiebehafteinrichtungen und Justizvollzugsanstalten
Seelsorgende meist einen ungehinderten Zugang haben.
„Wir
haben den Dialog mit der Anstaltsleitung und mit dem Beirat gesucht,
wir haben auch mit Landes- und Bundestagsabgeordneten gesprochen.
Aber an den Zuständen hat sich nichts geändert. Deshalb haben wir
beschlossen an die Öffentlichkeit zu gehen”,
erklärte Christian Schmidt. Zudem sagte er mit Blick auf die Pläne
von Bundesinnenminister Seehofer nach Gesetzesverschärfungen
bezüglich Abschiebehaft: „In
Pforzheim braucht man diese Verschärfungen nicht. Denn restriktiver
als es jetzt ist kann man es eigentlich ohnehin nicht mehr machen.”
Aus
seiner Sicht besteht ein Zusammenhang zwischen den
Gesetzesverschärfungen, den Missständen in der Abschiebehaft und
den gesellschaftlichen Rechtsruck. Auch deshalb erfolgte der Hinweis
auf die Demonstration am Samstag gegen den Aufmarsch der Partei „Die
Rechte”. Die Gegendemonstration beginnt um 11 am Hauptbahnhof
und wird zwischen 12 und 13 Uhr an der Abschiebehaft sein.
Die Süddeutsche berichtet in ihrem Bericht “Wie Bayern schon früh versuchte, unliebsame Ausländer über die Grenze zu schaffen” an ein Jubiläum, das keiner feiern will. Über die Einführung der Abschiebehaft vor 100 Jahren und das Abschiebelager Fort Prinz Karl in Ingolstadt.