SPD und Union einigen sich auf Abschiebegesetz – Abstimmung am Freitag im Bundestag

Wie der Spiegel berichtet, haben sich SPD und Union auf ein Hau-Ab-Gesetz (‘Geordnete-Rückkehr-Gesetz’) verständigt. Dabei sind sogar noch weitere Verschlimmerungen zum ursprünglichen Entwurf hineingekommen, wie Aufbrechen von Wohnungen ohne richterlichen Beschluss bei Abschiebungen, Lager-Zwang Ausweitung von Lager-Zwang auf anderthalb Jahre, Arbeitsverbote bis zu 9 Monate und und Ausreisegewahrsam für alle ausreisepflichtigen Geflüchteten.

(Link)

Unterstützt die Petition! Vorfälle in der Abschiebehaft in PFORZHEIM nach dem 11. Mai 2019

Polizeieinsatz nach Demonstration am 11. Mai 2019 in der Abschiebehaft in Pforzheim. Fesselung und Isolation. Wir fordern Aufklärung!

Petition an den Landtag von Baden-Württemberg

Sehr geehrte Frau Vorsitzende Böhlen,
Sehr geehrte Damen und Herren des Petitionsausschusses

Petitionstext | Mit der Eingabe dieser Petition stellen wir den Antrag auf 1.-) eine sofortige Untersuchung der polizeilichen Übergriffe am 11.05.2019 und der nachfolgenden Sanktionen (insbesondere der Einzelhaft) gegen inhaftierte Geflüchtete in der Abschiebehaft in Pforzheim 2.-) eine unabhängige Anhörung der Betroffenen und die Aussetzung der Abschiebungen von Betroffenen, die zur Klärung der Vorfälle beitragen können 3.-) die Abschaffung der Abschiebehaft in Baden-Württemberg.

Veranstaltung in Berlin: “Ausreisegewahrsam und bald wieder Abschiebungshaft – Inhaftierung und Isolation von Flüchtlingen zum Zweck der Abschiebung in Brandenburg“

Termin: Freitag, 24. Mai 2019 von 16 – 19 Uhr
Ort: Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin    
Referent: Peter Fahlbusch, Rechtsanwalt und Mitglied im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)

Derzeit setzt Brandenburg verstärkt eine Politik um, deren Ziel es ist, die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen. Dies geschieht zum einen durch die monatelange Isolation in der Erstaufnahmeeinrichtung, aus der die weit größte Zahl der Abschiebungen stattfindet. Zum anderen wird im Sommer 2019 ein Ausreisegewahrsam am Flughafen Schönefeld in Betrieb genommen und voraussichtlich im kommenden Jahr die Abschiebungshaft wiedereröffnet.
Im geplanten Ausreisegewahrsam gibt es keinen regelmäßigen Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung und keinen Kontakt mit Ehrenamtlichen und der Zivilgesellschaft. Der Ausreisegewahrsam ist Teil der Erstaufnahmeeinrichtung in Brandenburg, die inzwischen die meisten Charakteristiken eines Ankerzentrums erfüllt und wo viele Asylsuchende zu Unrecht für die gesamte Dauer ihres Asylverfahrens bleiben müssen. Auch hier gibt es keine unabhängige Beratung und kaum Zugang zu ehrenamtlicher Unterstützung.
In seinem Vortrag wird der Rechtsanwalt Peter Fahlbusch über die politische und rechtliche Geschichte von Abschiebehaftanstalten sprechen, aus seiner Beratungspraxis berichten und die geplanten rechtlichen Verschärfungen auf Bundesebene beleuchten. Er vertritt seit vielen Jahren Menschen in Abschiebehaft und macht immer wieder darauf aufmerksam, dass in rund 50% der von ihm vertretenen Fälle die Haft rechtswidrig angeordnet wurde. Anschließend wollen wir uns über die Umsetzung in Brandenburg austauschen. Was kann gegen die Pläne der Landesregierung, Menschen zukünftig wieder zum Zweck der Abschiebung zu inhaftieren, unternommen werden? Wie gehen wir dagegen vor, dass Menschen rechtswidrig ihrer Freiheit beraubt oder monatelang in der Erstaufnahme isoliert werden, um Abschiebungen durchzusetzen?

Pressemitteilung der Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg vom 8.5.2019:

Stellungnahme zu den Behauptungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe bezüglich der Bedingungen in der Abschiebehaft Pforzheim

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg reagiert mit Verwunderung auf die Äußerungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe bezüglich der Bedingungen in der Abschiebehaft in Pforzheim. Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg und Mitglied der AG Abschiebehaft Pforzheim, sagt hierzu:

„Mehrere Aussagen des Regierungspräsidiums, die im Zuge der Berichterstattung zur Pressekonferenz der AG Abschiebehaft am 8. Mai 2019 gemacht worden, sind grob irreführend bis eindeutig wahrheitswidrig.”

Bezüglich der Kritik, dass keine Räume für Beratungsgespräche zur Verfügung stehen, und die Berater*innen und Seelsorger nur in den Besuchszellen mit den Inhaftierten sprechen, sagt das Regierungspräsidium gegenüber dem SWR:

„Einen speziellen Raum gebe es aus Kapazitätsgründen nicht. […] Zudem sei das auch in anderen Abschiebehaftanstalten in Deutschland so geregelt.”

Auf Nachfrage des Flüchtlingsrats haben Personen, die in anderen Bundesländern in der Beratung in der Abschiebehaft tätig sind, Folgendes berichtet:

Die ökumenische Beratungsstelle in der Abschiebehafteinrichtung Ingelheim (Rheinland-Pfalz) hat ein eigenes Büro innerhalb der Hafteinrichtung, das zu festen Zeiten besetzt ist.
In der Abschiebehafteinrichtung Langenhagen (Niedersachsen) bietet der Flüchtlingsrat Niedersachsen zu festen Zeiten Beratung an, die in einem Konferenzraum stattfinden und nicht in den Besuchsräumen.
In der Abschiebehafteinrichtung Eichstätt (Bayern) ist ein Berater des Jesuiten-Flüchtlingsdiensts einmal wöchentlich zur gleichen Zeit präsent, um in der Freizeithalle, wo Inhaftierte Zugang zu Sport- und Freizeitangeboten haben, Beratung anzubieten.
In der Abschiebehafteinrichtung Erding (Bayern) führt der Jesuiten-Flüchtlingsdienst im Büro des Sozialdienstes Beratungsgespräche durch.
Das Regierungspräsidium möchte die Pforzheimer Verhältnisse als Normalität erscheinen lassen. Wir sagen ganz deutlich: Das was in dieser Einrichtung passiert, ist nicht normal – hier werden Rechte verwehrt, die in anderen Bundesländern – sogar in Bayern – gewährt werden.

Bezüglich der Nichterlaubnis religiöser Feierlichkeiten wird das Regierungspräsidium in der Pforzheimer Zeitung vom 10. Mai zitiert mit den Worten:


„Der Leiter der Abschiebehaft lehne auch keine interreligiösen Angebote ab. Es gebe allerdings kaum Nachfrage danach.”

Wer auch immer diese Aussage getätigt hat, sagt entweder bewusst die Unwahrheit oder ist falsch informiert.

Im Dezember 2016 gab es die erste und letzte interreligiöse Friedenslichtfeier in einem Gemeinschaftsraum, der früher in der JVA als Gottesdienstraum genutzt wurde. Eine Anfrage seitens der Seelsorger, eine ähnliche Feier zu Pfingsten 2017 durchzuführen, wurde vom Anstaltsleiter Herrn Paukner abgelehnt – ebenso spätere Anfragen ähnlicher Art.

Wenn das Regierungspräsidium behauptet, es würde kaum Interesse an einer solchen Feier geben, dann liegt dies daran, dass das Angebot den Inhaftierten nicht bekannt ist. Ein entsprechender Infoflyer zu den seelsorgerischen Angeboten wurde trotz Zusage der Anstaltsleitung augenscheinlich nicht an die Inhaftierten verteilt – zumindest hat kein einziger Inhaftierter auf Anfrage der Berater*innen und Seelsorger hin angegeben, den Flyer gesehen zu haben. Wenn einzelne Inhaftierte im direkten Gespräch gefragt werden, ob sie Interesse an einer interreligiösen Feier hätten, ist die Resonanz in aller Regel sehr positiv.

Zudem werden nicht nur interreligiöse Feierlichkeiten, sondern auch solche für Personen der gleichen Religion, nicht erlaubt werden. Wünschen sich beispielsweise – und der Fall ist tatsächlich vorgekommen – mehrere katholische Insassen die Teilnahme an einem Gottesdienst, ist es dem Seelsorger nicht erlaubt, sich mit ihnen in einem Raum zu versammeln. Stattdessen muss er mit jedem einzelnen nacheinander jeweils zu zweit den Gottesdienst zelebrieren. Dies widerspricht dem christlichen Gemeinschaftsgedanken, aber auch Artikel 18 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, wonach jeder Mensch das Recht hat, auch in Gemeinschaft mit anderen den Glauben zu bekennen.

Bezüglich der ebenfalls in der Pforzheimer Zeitung zitierten Behauptung des Regierungspräsidiums:

„Die Untergebrachten werden bei Bedarf umfassend medizinisch versorgt. Dies beinhaltet auch Vorstellungen bei Fachärzten und Krankenhäusern bis hin zu Psychiatrien.” 

kann auf den bereits bei der Pressekonferenz geschilderten Fall verwiesen werden, in dem ein Seelsorger einen dringend benötigter Augenarzttermin für einen Inhaftierten organisierte, und die Verantwortlichen in der Haftanstalt es dem Inhaftieren nicht ermöglichten, diesen Termin wahrzunehmen. Des Weiteren müssen die Mitglieder der AG Abschiebehaft regelmäßig erfahren, dass es keinerlei psychologische oder psychiatrische Betreuung gibt – was sich aufgrund der extrem belastenden Situation, in der sich die Inhaftierten befinden als absolut verantwortungslos bezeichnet werden muss.

(Stellungnahme vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg)

Erste Lesung im Bundestag des “Geordnete-Rückkehr-Gesetzes” an diesem Donnerstag

Am heutigen Donnerstag (16.5.2019) findet die erste Lesung des Geordneten Rückkehrgesetzes im Deutschen Bundestag. Die Kampagne 100 Jahre Abschiebehaft kritisiert das Gesetz scharf. Es wird zu einer massiven Ausweitung der Anwendung von Abschiebehaft führen.

Innenminister Horst Seehofer plant seit seiner Amtseinführung an Gesetzen, welche die Situation von geflüchteten Menschen verschlechtern. Als nächstes Gesetz soll das Geordnete-Rückführungs-Gesetz eingeführt werden.

Durch das Gesetz sind Ausschluss gesellschaftlicher Teilhabe durch eine ‚Duldung light‘ sowie eine massive Ausweitung von Abschiebehaft geplant. Unter anderem soll eine Beugehaft neu aufgenommen werden, um geflüchtete Menschen zu zwingen, bei ihrer Identitätsfeststellung mitzuwirken. Sie können hierzu bis zu zwei Wochen inhaftiert werden.

Erneut eingeführt werden soll, dass Abschiebegefangene und Strafgefangene zusammen in ein Gefängnis untergebracht werden dürfen. Solch eine Gesetzespassage hat es bereits einmal in Deutschland gegeben. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch im Jahre 2014 geurteilt, dass dieses nicht mit der europäischen Rückführungsrichtlinie übereinstimmt und daher unrechtmäßig ist. Daher haben bereits im Vorfeld elf Innenminister der Länder erklärt, dieses nicht anwenden zu wollen. Seehofer beruft sich nun auf einen Passus in der Rückführungsrichtlinie, wonach dieses in einem Notstand vorübergehend möglich ist. „Wo Seehofer diesen Notstand nun sieht, bleibt vollkommen unklar. Deutschland hat bereits jetzt mehr als ausreichend Haftplätze für Abschiebegefangene und weitere Abschiebegefängnisse sind in Bau“, so Frank Gockel, Pressesprecher der Kampagne 100-Jahre-Abschiebehaft.

Der erste Referentenentwurf sah noch vor, dass Menschen ohne richterlichen Beschluss bis zu 10 Tage inhaftiert werden durften. Dieses wurde zwischenzeitlich geändert. „Dieses macht deutlich, dass Seehofer zur Bekämpfung von Flüchtlingen sogar bereit ist, dass Grundgesetz und den Rechtsstaat zu missachten“, so Gockel. 

Am 16.5.2019 wird das Gesetz in erster Lesung im Bundestag behandelt. Die Kampagne 100 Jahre Abschiebehaft hofft, dass die anderen Parteien sich intensiv mit dem Gesetz auseinandersetzen. Aus ihrer Sicht kommt es nun darauf an, dass die SPD standhaft bleibt. „Sie muss sich nun entscheiden, ob sie der Orbanisierung der CSU/CDU blind folgt oder sich an Grund- und Menschenrechten orientiert, um geflüchteten Menschen gerecht zu werden“, so Gockel.

Gockel weiter: “Die rechtsstaatlichen Institutionen und Prinzipien, mit denen offen gebrochen werden sollen, nur um Entrechtung und Ausgrenzung durchzusetzen, ist unerträglich! Wir schließen uns der Aufforderung von PRO ASYL und Landesflüchtlingsräten an und fordern die Abgeordneten dazu auf, das Gesetz abzulehnen.”

www.100-Jahre-Abschiebehaft.de

Presse@100-Jahre-Abschiebehaft.de

Frank Gockel

Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.

0171 / 47 59 24 0 oder 0700 / 22 99 77 11

Agnes Andrae

Bayerischer Flüchtlingsrat

089 / 76 22 34 oder 0171 / 10 93 904

Anti-Folter-Komitee kritisiert deutsche Abschiebungspraxis und Abschiebehaft in Bayern

Deutschland steht wegen seiner Abschiebungspraxis in der Kritik. Eine Delegation des Europarates bemängelt, dass die Betroffenen nicht rechtzeitig informiert würden. Das Anti-Folter-Komitee des Europarats (CPT) kritisiert, dass Abschiebungen aus Deutschland den Betroffenen häufig zu kurzfristig angekündigt werden, und fordert, dass Betroffene auch in Abschiebehaft wissen müssen, wann sie Deutschland verlassen müssen. Es sei unerlässlich, dass den Menschen rechtzeitig mitgeteilt werde, dass sie Deutschland verlassen müssten.  Nur so könnten sich die Menschen psychisch mit der Situation auseinandersetzen.

Die CPT-Expert_innen kritisierten im Übrigen Misshandlungen von afghanischen Geflüchteten im Rahmen einer Abschiebung ach Afghanistan von August 2018: Einem von sechs Polizisten festgehaltenen Mann habe ein Polizist einen Arm gegen den Hals gedrückt, was seine Atemfähigkeit eingeschränkt habe. Ein anderer Polizist habe dem am ganzen Körper mit Klebeband Gefesselten mehrmals für längere Zeit die Genitalien gequetscht. Ein solches Vorgehen sei „unverhältnismäßig und unangemessen“. Deutschland müsse „sofort Maßnahmen ergreifen“, um die Anwendung dieser Techniken zu unterbinden.

Im Weiteren kritisiert das Anti-Folter-Komitee die Situation in der Abschiebehaft im bayerischen Eichstätt. Die ehemalige Strafhaftanstalt sei nicht an die speziellen Bedürfnisse der Gefangenen angepasst worden. Das Anti-Folter-Komitee fordert ein System der offenen Türen, Zugang zu Tagesaktivitäten, mindestens eine Stunde Hofgang für alle Gefangenen, die Erlaubnis zu telefonieren und Besuch zu empfangen, wirksamere Maßnahmen zur Vorbeugung von Selbstverletzung und Suizid. Zudem solle die Privatsphäre besser geschützt und es unterlassen werden, den Toilettenbereich unverpixelt mit Überwachungskameras zu filmen. Außerdem könnten die Insassen nicht direkt einen Arzt sprechen, sondern müssten einen Termin erst bei einem der Aufpasser anmelden, wie der Bericht bemängelte.

Die Delegation forderte in ihrem Bericht, dass an Abschiebungen beteiligte Polizisten eine Kennzeichnung tragen müssen. Bei der begleiteten Ausweisung aus Bayern sei das nicht der Fall gewesen.

(Original von Flüchtlingsrat Niedersachsen und Flüchtlingsrat Bayern)

Weitere Infos:

Erste Lesung im Bundestag des Geordneten-Rückkehr-Gesetzes an diesem Donnerstag

Am heutigen Donnerstag (16.5.2019) findet die erste Lesung des Geordneten Rückkehrgesetzes im Deutschen Bundestag. Die Kampagne 100 Jahre Abschiebehaft kritisiert das Gesetz scharf. Es wird zu einer massiven Ausweitung der Anwendung von Abschiebehaft führen.

Innenminister Horst Seehofer plant seit seiner Amtseinführung an Gesetzen, welche die Situation von geflüchteten Menschen verschlechtern. Als nächstes Gesetz soll das Geordnete-Rückführungs-Gesetz eingeführt werden.

Durch das Gesetz sind Ausschluss gesellschaftlicher Teilhabe durch eine ‚Duldung light‘ sowie eine massive Ausweitung von Abschiebehaft geplant. Unter anderem soll eine Beugehaft neu aufgenommen werden, um geflüchtete Menschen zu zwingen, bei ihrer Identitätsfeststellung mitzuwirken. Sie können hierzu bis zu zwei Wochen inhaftiert werden.

Erneut eingeführt werden soll, dass Abschiebegefangene und Strafgefangene zusammen in ein Gefängnis untergebracht werden dürfen. Solch eine Gesetzespassage hat es bereits einmal in Deutschland gegeben. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch im Jahre 2014 geurteilt, dass dieses nicht mit der europäischen Rückführungsrichtlinie übereinstimmt und daher unrechtmäßig ist. Daher haben bereits im Vorfeld elf Innenminister der Länder erklärt, dieses nicht anwenden zu wollen. Seehofer beruft sich nun auf einen Passus in der Rückführungsrichtlinie, wonach dieses in einem Notstand vorübergehend möglich ist. „Wo Seehofer diesen Notstand nun sieht, bleibt vollkommen unklar. Deutschland hat bereits jetzt mehr als ausreichend Haftplätze für Abschiebegefangene und weitere Abschiebegefängnisse sind in Bau“, so Frank Gockel, Pressesprecher der Kampagne 100-Jahre-Abschiebehaft.

Der erste Referentenentwurf sah noch vor, dass Menschen ohne richterlichen Beschluss bis zu 10 Tage inhaftiert werden durften. Dieses wurde zwischenzeitlich geändert. „Dieses macht deutlich, dass Seehofer zur Bekämpfung von Flüchtlingen sogar bereit ist, dass Grundgesetz und den Rechtsstaat zu missachten“, so Gockel. 

Am 16.5.2019 wird das Gesetz in erster Lesung im Bundestag behandelt. Die Kampagne 100 Jahre Abschiebehaft hofft, dass die anderen Parteien sich intensiv mit dem Gesetz auseinandersetzen. Aus ihrer Sicht kommt es nun darauf an, dass die SPD standhaft bleibt. „Sie muss sich nun entscheiden, ob sie der Orbanisierung der CSU/CDU blind folgt oder sich an Grund- und Menschenrechten orientiert, um geflüchteten Menschen gerecht zu werden“, so Gockel.

Gockel weiter: “Die rechtsstaatlichen Institutionen und Prinzipien, mit denen offen gebrochen werden sollen, nur um Entrechtung und Ausgrenzung durchzusetzen, ist unerträglich! Wir schließen uns der Aufforderung von PRO ASYL und Landesflüchtlingsräten an und fordern die Abgeordneten dazu auf, das Gesetz abzulehnen.”

www.100-Jahre-Abschiebehaft.de

Presse@100-Jahre-Abschiebehaft.de

Bundesweites Aktionswochenende gegen Abschiebehaft Demonstration in Pforzheim endet mit Repression gegen einen Inhaftierten


In zehn Bundesländern waren am vergangenen Wochenende Menschen gegen Abschiebehaft und das Geordnete-Rückkehr-Gesetz auf der Straße. Sie forderten ein Ende der hundertjährigen Geschichte der Abschiebehaft. In Pforzheim wurde ein Inhaftierter gewaltsam daran gehindert, per Telefon an der Demonstration teilzunehmen.

Knapp 2.000 Leute demonstrierten vergangenes Wochenende in Berlin, Büren, Darmstadt, Halle, Dessau, Dresden, Glückstadt, Eichstätt, Hannover-Langenhagen, Mainz und Pforzheim gegen Abschiebehaft. Neben Demonstrationen gab es ein Straßenfest in Dessau und eine Fahrraddemo in Glückstadt. Auf verschiedene Weise nahmen Inhaftierte in einigen Städten mit den Demonstrant*innen Kontakt auf. Per Telefon, durch das Klopfen an Fensterscheiben oder durch das Herausstrecken von Händen durch die Gitterstäbe. “Gewöhnliche Demonstrationen waren das nicht. Teilnehmer*innen erzählten, dass diese Momente sie sehr berührt und in ihrem Aktivismus bestärkt haben hätten” führt Gockel aus: “Ehrenamtliche Initiativen, kirchliche Gemeinden, Schutzsuchende, antifaschistische Netzwerke, Asylberater*innen – unsere Kampagne wird von einem breiten, zivilgesellschaftlichen Bündnis getragen.” so Frank Gockel, Pressesprecher der Kampagne 100 Jahre Abschiebehaft.

Erst kürzlich hatte das Anti-Folter-Komitee des Europarats die Bedingungen der Haftanstalt Eichstätt deutlich kritisiert. Die nationale Folterkommission übte zudem bereits 2018 massive Kritik an den Zuständen im Darmstädter und Bürener Abschiebegefängnis. Unter anderem sei in Eichstätt nicht in ausreichendem Maße für Suizidprävention gesorgt. “Eine Bewertung, die für Abschiebehaft überhaupt gilt. Als Haft ohne Straftat ist sie eine enorme Belastung für die Betroffenen, die dort in hohem Maße Retraumatisierungen ausgesetzt sind.” so Gockel.

Obwohl Abschiebehaft sich deutlich von Strafhaftvollzug unterscheiden muss, gibt es zahlreiche Berichte von willkürlichen Zwangsmaßnahmen und Isolierhaft. In Pforzheim zeigte sich dies während der Demonstrationen ganz plastisch: Als ein Inhaftierter im dortigen Abschiebegefängnis per Telefon zur Demonstration geschaltet werden wollte, um von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen, stürmten 30 Beamt*innen seine Zelle, und ordneten ihm bis Montag, 13. Mai, Isolationshaft an. “Hier zeigt sich auf beschämende Weise das Unrecht, das Geflüchteten insbesondere in Abschiebehaft widerfährt: Sie werden aus Verwaltungsgründen weggesperrt und mit aller Gewalt wird ihnen dabei ihr Recht auf freie Meinungsäußerung genommen! Das ist bar jeglicher Rechtsstaatlichkeit“, befindet Gockel.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Kampagne unter:
www.100-jahre-abschiebehaft.de
auf Facebook
und Twitter.

Abschiebegewahrsam für Gefährder seit April leer – Berlin plant Ausweitung der Abschiebehaft

Die SPD will in Berlin und Brandenburg die Abschiebehaft ausweiten. Flüchtlingsinitiativen rufen zum Protest am geplanten neuen Knast auf.
Berlin soll wieder ein reguläres Abschiebegefängnis bekommen. Der im September 2018 eröffnete Abschiebegewahrsam speziell für Gefährder solle laut Senatsverwaltung für Inneres künftig auch für reguläre Abschiebehaft von Menschen genutzt werden.

Im März 2019 sei lediglich eine Person in der Gefährder-Abschiebehaftanstalt eingesperrt gewesen, im April 2019 blieb diese komplett leer.

Rot-Rot-Grün wird aufgefordert, sich auf Bundesebene für die Abschaffung der Abschiebehaft einzusetzen.

(Link taz-Artikel)

Video-Bericht von der Demo in Eichstätt

Von INTV gibt es eine Video-Reportage mit Eindrücken von der Demo in Eichstätt am 11.05. gegen Abschiebehaft und mit Statements, warum dort demonstriert wird.

Vergangenen Donnerstag hat das Anti-Folter-Komitee des Europarats die Abschiebehaft in Bayern und ganz konkret die Vorgehensweise in der Eichstätter Anstalt kritisiert. Dort werden Flüchtlinge, die drohen unterzutauchen, bis zu ihrer Abschiebung festgehalten. Mit einem Demonstrationszug durch die Eichstätter Innenstadt prangert das Aktionsbündnis die Zustände dort an und beteiligt sich an der bundesweiten Kampagne „100 Jahre Abschiebehaft – 100 Jahre unschuldig in Haft“.

(Link)

Demo-Bericht aus Pforzheim

Von Aktion Bleiberecht gibt es einen Demo-Nachbericht vom 11. Mai in Pforzheim.

https://www.aktionbleiberecht.de/blog/wp-content/uploads/2019/05/20190511_113048.jpg

Dabei wurde ein Inhaftierter zugeschaltet:

Er erklärte, dass er unschuldig im Gefängnis sitzt und seine zwei Kinder hier in Deutschland leben. Weiterhin sagte er, dass sich alle im Gefängnis sehr diskriminiert fühlen und nicht verstehen warum sie inhaftiert sind. Niemand habe eine Straftat begangen.

Es kam zu Repressionen gegen die Inhaftierten:

Zu beobachten war, dass etwa 10 bis 12 behelmte Polizisten, die zur Demonstration eingesetzt waren, in das Gefängnisgebäude stürmten. Danach fuhren noch drei Polizeifahrzeuge mit Blaulicht vor dem Abschiebegefängnis vor. Später gab es die Information, dass die Gefangenen in ihre Zellen gedrängt wurden und diese bis Montag nicht mehr verlassen dürfen. Normalerweise dürfen sich die Geflüchteten „von morgens bis zum Einschluss um 22 Uhr frei bewegen, müssen sich also nicht in ihrem Zimmer aufhalten.

Der gesamte Bericht findet sich hier:

https://www.aktionbleiberecht.de/?p=16265


Bericht zu Situation in Lagern am Beispiel Bamberg

Hier findet ihr einen ausführlichen Bericht über die Situation in ANKER-Zentren am Beispiel Bamberg. Im Kontext der Kampagne 100 Jahre Abschiebehaft fand am 6. Mai dort eine Demonstration “No Lager!” in Bamberg statt. Auch die Schlussfolgerung im Artikel ist: “Ihr müsst dieses Lager schließen!”

(Link)

Dresden: Demo gegen Abschiebehaft zieht vor Gefängnis

Bericht der DNN: Etwa 250 Menschen haben am Sonnabend gegen Abschiebehaft demonstriert. Sie forderten, den Gewahrsam abzuschaffen. Anlass für die Demo war das 100. Jubiläum der Abschiebehaft. Die Dresdner Abschiebe-Haftanstalt ist seit Dezember 2018 in Betrieb. Wie viele Menschen darin inhaftiert sind, ist nicht bekannt.

(Link)

PM: Blackbox Abschiebehaft

Arbeitsgruppe kritisiert mangelnde Kontrolle und zahlreiche Missstände in Pforzheimer Haftanstalt

Die Arbeitsgruppe Abschiebehaft Pforzheim ist besorgt über die Situation in Baden-Württembergs Abschiebehafteinrichtung. Bei einem Pressegespräch am Mittwoch informierte die Gruppe aus haupt- und ehrenamtlich Tätigen über ihre Erfahrungen in der Arbeit mit Menschen in Abschiebehaft, und beklagten dabei gravierende Mängel.

Weil die Abschiebehaft keine Strafhaft ist, sondern „lediglich” der Sicherung der Abschiebung dient, müssten die Bedingungen innerhalb der Haftanstalt eigentlich weniger restriktiv sein als die für Personen, die wegen begangener Straftaten hinter Gitter sitzen. Doch in Pforzheim sei dies nicht der Fall, eher im Gegenteil – so die AG Abschiebehaft, die sich Mitte April mit einem offenen Brief an Verantwortliche in Politik und Verwaltung gewandt hat, um die festgestellten Missstände anzuprangern.

Aus Statistiken von Anwälten und Beratungsstellen ist bekannt, dass ein erheblicher Anteil der Inhaftierungen in der Abschiebehaft – rund 50% – rechtswidrig sind”, erklärte Christian Schmidt vom Forum Asyl Pforzheim. Umso wichtiger ist es nach Überzeugung der Arbeitsgruppe, dass die Inhaftierten Zugang zu Unterstützung und Beratung haben. Doch dies werde in Pforzheim massiv erschwert.

Wir würden gerne kontrollieren, ob die Inhaftierungen rechtmäßig sind. Aber ich kann nicht einfach reingehen und eine offene Beratungsstunde anbieten, sondern werde wie eine normale Besucherin behandelt und kann immer nur gezielt eine bestimmte Person besuchen, dessen Namen ich kenne. So können nur diejenigen beraten werden, die auf uns zukommen. Wer nicht von unserem Angebot weiß, kann auch keine unabhängige Beratung erhalten”, berichtete Kirsten Boller, die im Auftrag von Caritas und Diakonie als Kontakt- und Beratungsstelle in der Abschiebehaft fungiert.

Viele der Inhaftierten verstehen die Verfahren nicht und verstehen nicht, warum sie im Gefängnis sitzen, ohne eine Straftat begangen zu haben”, betonte Anna Roß von Amnesty International. Aus ihrer Sicht müssten Inhaftierte in der Abschiebehaft Pflichtverteidiger zugeteilt bekommen – so wie es in Strafsachen vorgeschrieben ist. Die ehrenamtliche Beraterin berichtete von Fällen, in denen Väter von Patchwork-Familien oder von ungeborenen Kindern in der Abschiebehaft saßen. Auch Traumatisierte oder chronisch Kranke seien keine Seltenheit.

Eine dringend notwendige psychologische Betreuung findet faktisch nicht statt. Ähnlich sieht es bei schweren physischen Krankheiten und Verletzungen aus”, berichtete Pfarrer Andreas Quincke, der evangelische Seelsorger in der Hafteinrichtung. Er schilderte einen Fall, in dem er einen dringend benötigen Augenarzttermin für einen Inhaftierten organisierte, die Zuständigen in der Abschiebehaft sich einfach weigerten, den Betroffen dort hinzubringen.

Mit den Kranken ist es ähnlich wie mit den auf rechtlich fragwürdiger Grundlage Inhaftierten, die mangels Zugang zu Beratung und anwaltlicher Unterstützung nichts gegen ihre Inhaftierung unternehmen können: Der Anstaltsleitung scheint es ganz recht zu sein, dass da niemand zu genau hinschaut. Im Zweifel hat man dann eben eine Abschiebung mehr erreicht – das gilt ja heutzutage grundsätzlich als Erfolg”, so Pfarrer Quincke.

Die fehlende Transparenz, die nach Auffassung der AG Abschiebehaft durchaus von verantwortlicher Stelle gewollt zu sein scheint, kritisiert auch Christian Schmidt vom Forum Asyl Pforzheim. Anfangs habe man Hoffnungen in den gesetzlich vorgeschriebenen Beirat gesetzt, der formal das Recht hat, unangemeldete Besuche durchzuführen und die Inhaftierten in ihren Zellen aufzusuchen. „Diese Hoffnung hat sich schnell erledigt, denn der Beirat führt lediglich nach Absprache mit der Anstaltsleitung angemeldete Besuche durch und unterbreitet den Verantwortlichen unverbindliche Anregungen, die diese folgenlos ignorieren können. Der Beirat kann eventuelle Kritik oder Missstände nicht nach außen tragen, wenn die Anstaltsleitung und das Innenministerium nichts unternehmen. Deshalb hat dieser Beirat lediglich eine Alibi-Funktion”, so Schmidt.

Kirsten Boller betonte, dass das, was die Arbeitsgruppe in Pforzheim fordert, keineswegs illusorisch sei. In anderen Bundesländern sei es absolut normal, dass es in der Haftanstalt ein eigenes Büro für eine unabhängige Beratungsstelle gibt, die regelmäßige offene Sprechstunden anbieten kann.

Woanders üblich und völlig unstrittig ist auch das Recht auf die Abhaltung religiöser Feiern. Doch in Pforzheim endet auch dieses Recht an der Gefängnispforte, wie Andreas Quincke beklagt: „Im Abschiebehaftgesetz steht zum Thema Religion leider nur ein Satz: Dass die Inhaftierten das Recht auf Kontakt zu einem Seelsorger ihrer Religion haben. Die maximal restriktive Linie der Anstaltsleitung sieht so aus, das genau dies gewährt wird, aber auch wirklich nur dies. Das heißt, dass Seelsorge nur in Einzelgesprächen stattfinden kann. Ein christlicher Gottesdienst, ein islamisches Freitagsgebet oder auch eine interreligiöse Feier, wo sich mehrere Personen versammeln – all diese Sachen sind in jeder Justizvollzugsanstalt völlig normal, doch hier werden sie ohne Begründung schlicht untersagt. Das halte ich für einen Skandal.” Die Seelsorger werden ebenfalls wie besuchende Privatpersonen behandelt, während in anderen Abschiebehafteinrichtungen und Justizvollzugsanstalten Seelsorgende meist einen ungehinderten Zugang haben.

Wir haben den Dialog mit der Anstaltsleitung und mit dem Beirat gesucht, wir haben auch mit Landes- und Bundestagsabgeordneten gesprochen. Aber an den Zuständen hat sich nichts geändert. Deshalb haben wir beschlossen an die Öffentlichkeit zu gehen”, erklärte Christian Schmidt. Zudem sagte er mit Blick auf die Pläne von Bundesinnenminister Seehofer nach Gesetzesverschärfungen bezüglich Abschiebehaft: „In Pforzheim braucht man diese Verschärfungen nicht. Denn restriktiver als es jetzt ist kann man es eigentlich ohnehin nicht mehr machen.”

Aus seiner Sicht besteht ein Zusammenhang zwischen den Gesetzesverschärfungen, den Missständen in der Abschiebehaft und den gesellschaftlichen Rechtsruck. Auch deshalb erfolgte der Hinweis auf die Demonstration am Samstag gegen den Aufmarsch der Partei „Die Rechte”. Die Gegendemonstration beginnt um 11 am Hauptbahnhof und wird zwischen 12 und 13 Uhr an der Abschiebehaft sein.

SZ-Artikel zu 100 Jahre Abschiebehaft

Die Süddeutsche berichtet in ihrem Bericht “Wie Bayern schon früh versuchte, unliebsame Ausländer über die Grenze zu schaffen” an ein Jubiläum, das keiner feiern will. Über die Einführung der Abschiebehaft vor 100 Jahren und das Abschiebelager Fort Prinz Karl in Ingolstadt.

(Link)