Suizide, Suizidversuche, Selbstverletzungen von Geflüchteten
Die 28. Auflage der Dokumentation zeigt in über 16000 Einzelgeschehnissen die Auswirkungen des staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus auf die betroffenen Geflüchteten; auf Menschen, die in der BRD Schutz und Sicherheit suchten und aufgrund der rassistischen Sondergesetze und des Rassismus der Gesellschaft körperlich zu Schaden kamen oder daran zerbrechen.
Anhand der vielen Einzelbeispiele wird deutlich, mit welcher Gewalt die Sondergesetze für Geflüchtete von Behörden, Gerichten, Polizei, medizinischem Personal und anderen umgesetzt werden und mit wieviel Willkür und Menschenverachtung Geflüchtete gequält, gedemütigt und ausgegrenzt werden. Erpressung, Schikanen und Betrug, aber auch Sippenhaftung, Familientrennungen oder Inhaftierung Minderjähriger sind einige Mittel des Staates und seiner willfährigen Mitarbeiter:innen, um Geflüchtete zur Ausreise zu zwingen.
In der Verzweiflung über die zerstörte Lebensperspektive, die existentielle Angst vor Deportation und die absolute Ausweglosigkeit, begehen Menschen als allerletzte Flucht Selbsttötung. Andere nehmen bei direkt drohenden polizeilichen Festnahmen zur Abschiebung in ihrer Panik lebensgefährliche Wege, bei denen sie zu Tode kommen. Vielfach mehr Geflüchtete begehen Suizidversuche oder Selbstverletzungen, um aus den aktuellen Situationen herauszukommen oder – immer wieder auch – aus Protest gegen menschenfeindliche Behandlungen und Unterbringungen.
Die meisten bleiben namenlos
Die Erfassung von Suiziden
und Selbstverletzungen von Geflüchteten ist generell
nicht einfach, denn offizielle staatliche Statistiken
gibt es zu diesem Thema nicht. Allein durch Kleine
Anfragen einiger Fraktionen in den Länderparlamenten
gelingt es, etwas mehr Licht in das große Dunkelfeld zu
bringen. Die Antworten der Innenministerien sind in der
Regel jedoch lückenhaft und ungenau – oft ohne klare
Orts- und Zeitzuordnung mit dem Verweis auf den
Datenschutz (z.B. “weniger als vier”). Trotzdem
bestätigen die Informationen, dass diese
Verzweiflungstaten in großer Zahl passiert sind.
Durch diese Ergebnisse der parlamentarischen Anfragen
einerseits und durch Berichte von Suiziden,
Suizidversuchen und Selbstverletzungen durch Angehörige,
Unterstützer:innen oder Organisationen andererseits,
kann die Dokumentationsstelle der Antirassistischen
Initiative folgende Aussagen über von ihr recherchierte
Ereignisse machen:
Von
2016 bis einschließlich 2020 sind jeden Monat
durchschnittlich zwei bis drei Geflüchtete durch
Suizid ums Leben gekommen. Das sind 159 Menschen
insgesamt; 2466 Personen haben Suizidversuche oder
Selbstverletzungen unternommen. Das sind 493 im
Jahresdurchschnitt und mindestens 40 pro Monat. Von
einer sehr hohen Dunkelziffer ist auszugehen.
So ungern staatliche
Institutionen Suizide von Geflüchteten als Folge eines
rassistischen Asylsystems und der damit einhergehenden
Ausweglosigkeit benennen und dokumentieren, so schnell
wird die These “Suizid als Todesursache” umgehend
bekanntgegeben, wenn es sich um Todesfälle in
polizeilichem Gewahrsam handelt, bei denen Gewalt von
Seiten Dritter überhaupt nicht ausgeschlossen werden
kann.
(siehe z.B. Oury Jalloh, Amad Ahmad, Rooble Muse
Warsame, Ferhat Mayouf).
EINZELGESCHEHNISSEN
zum Thema
https://www.ari-dok.org/uploads/mini_cms/press_statements/ARI-DOK_Beispiele-Suizide-Selbstverletzungen.pdf
GESAMTTEXT
https://www.ari-dok.org/uploads/mini_cms/publications/GESAMT-DOKU_28_Auflage_print.pdf
Die
Dokumentation umfaßt den Zeitraum vom 1.1.1993 bis
31.12.2020:
359 |
Geflüchtete töteten sich
angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder
starben bei dem Versuch, vor der Abschiebung zu
fliehen, davon 86 Menschen in Abschiebehaft. |
4287 |
Geflüchtete verletzten sich
aus Angst vor der Abschiebung oder aus Protest
gegen die drohende Abschiebung (Risiko-Hunger-
und Durststreiks) oder versuchten, sich umzubringen, davon befanden sich 928 Menschen in Abschiebehaft. |
5 | Geflüchtete starben während der Abschiebung. |
601 | Geflüchtete wurden durch Zwangsmaßnahmen oder Mißhandlungen während der Abschiebung verletzt. |
40 | Geflüchtete kamen nach der Abschiebung in ihrem Herkunftsland zu Tode. |
627 |
Geflüchtete wurden im
Herkunftsland von Polizei oder Militär
mißhandelt und gefoltert, kamen aufgrund ihrer
bestehenden schweren Erkrankungen in Lebensgefahr oder erkrankten schwer. |
78 | Geflüchtete verschwanden nach der Abschiebung spurlos. |
237 |
Geflüchtete starben auf dem
Wege in die Bundesrepublik Deutschland oder an
den Grenzen, davon allein 132 an den deutschen
Ost-Grenzen, 3 Personen trieben in der Neiße ab und sind seither vermißt. |
804 | Geflüchtete erlitten beim Grenzübertritt Verletzungen, davon 353 an den deutschen Ost-Grenzen. |
29 |
Geflüchtete starben durch
direkte Gewalteinwirkung von Polizei oder
Bewachungspersonal entweder in Haft, in
Gewahrsam, bei Festnahmen, bei Abschiebungen, auf der Straße, in Behörden oder in Heimen, mindestens 1328 wurden verletzt. |
32 | Todesfälle gab es durch unterlassene Hilfeleistung. |
87 |
Geflüchtete starben bei
Bränden, Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte
und Wohnungen oder durch sonstige Gefahren und 1771 Flüchtlinge wurden dabei z.T. erheblich verletzt. |
28 | Geflüchtete starben durch rassistische oder politische Angriffe im öffentlichen Raum und mindestens 3349 Flüchtlinge wurden körperlich angegriffen. |
Durch staatliche Maßnahmen
der BRD kamen seit 1993 mindestens 702 Geflüchtete ums
Leben –
durch rassistische Angriffe und die Unterbringung in
Lagern (u.a. Anschläge, Brände) starben 115 Menschen.
DEUTSCH
https://www.ari-dok.org/uploads/mini_cms/press_statements/PE_deutsch_28.pdf
ENGLISH
https://www.ari-dok.org/uploads/mini_cms/press_statements/PE_english_28.pdf
FRANCAIS
https://www.ari-dok.org/uploads/mini_cms/press_statements/PE_francais_28.pdf
ESPANOL
https://www.ari-dok.org/uploads/mini_cms/press_statements/PE_espanol_28.pdf