Redebeitrag #unteilbar-Demo 2019

100 Jahre Abschiebehaft

Vor 100 Jahren endete der 1. Weltkrieg und wurde erstmals die Abschiebehaft unter starkem Antisemitismus in Deutschland eingeführt. Im 1. Weltkrieg wurden die Jüdinnen als Soldaten und Zwangsarbeiterinnen ausgebeutet.
Nach dem Ende des 1. Weltkrieges wurden die Jüd*innen in antisemitischer Hetze und Diskursen als Sündenbock für den Ausgang des Krieges missbraucht. Weil diejenigen, die Europa in eine der größten Katastrophen führten, zu feige waren für ihre Handlungen einzustehen.

Abschiebehaft wird u.a. in Bayern und Preußen eingeführt, um Ausländerinnen – v.a. Jüdinnen aus Osteuropa monatelang zu internieren und durch Abschreckung massenhaft zur Ausreise zu bringen. Ab 1920 wird in Abschiebelagern interniert, 6 Monate Internierung waren die Regel. Viele flohen vor Pogromen in Osteuropa, oder wurden zwangsrekrutiert. Die Zustände in den Lagern waren erbärmlich und menschenunwürdig. Die Praxis endet vorläufig 1924 – aus rein wirtschaftlichen Gründen.

In der NS-Diktatur wird am 22.08.1938 die Ausländerpolizeiverordnung veröffentlicht und darin Abschiebehaft reichsweit mit viel Willkür geregelt: „Zur Sicherung der Abschiebung kann der Ausländer in Haft genommen werden.“
Kurz nach Inkrafttreten im Oktober 1938 werden in der sog. Polenaktion ca. 20.000 polnische Jüd*innen interniert und abgeschoben. Die Internierung geschieht in Berufung auf Abschiebehaft – sie erhalten 24-Stunden-Fristen, Deutschland zu verlassen, nach dem zynischen „Prinzip der freiwilligen Ausreise“.
Es ist schlimm, welche Kontinuitäten fortbestehen.

Die Polenaktion und die darauffolgende Reichspogromnacht bilden den Startschuss für den Vernichtungsantisemitismus der Deutschen.

Nach Ende der NS-Diktatur könnte man meinen, dass diese gruseligen Gesetze Vergangenheit sind.
Anstatt diese grausamen Gesetze zu beseitigen,
wird Himmlers Ausländerpolizeiverordnung 1951 wortwörtlich zu bundesdeutschem Recht und bleibt von 1938-1965 in Kraft.
Es beinhalte das „übliche Maß den Ausländern auferlegbaren Beschränkungen“.
Das sind also die Ursprünge des heutigen ‚Ausländerrechts‘ in der BRD – ein Nazi-Gesetz von 1938 und purer Rassismus.

Die Rechtsnormen haben sich aber geändert. Die Abschiebehaft wird mehrmals erneuert, um sie mehr zur Anwendung zu bringen, durch neue Haftgründe, eine schrittweise Anhebung der Haftdauer von ursprünglich 6 auf bis zu 18 Monate. Mit den rassistischen Pogromen und der rassistischen Aushebelung des Grundrechts auf Asyl in den 90ern geht ein vorläufiger Höhepunkt der Abschiebehaftzahlen einher. Danach flacht diese ab – auch nach öffentlichem Druck hin!

Was passiert 100 Jahre nach der Einführung?

Das unwürdige Konzept der Abschiebehaft wird mit dem HauAb-Gesetz exorbitant ausgeweitet:

Es gibt eine Beweislastumkehr durch die widerlegbare Vermutung: Die Behörden äußern eine Vermutung, das reicht nun aus, damit Menschen bis zu 18 Monate in Haft kommen.
Aus der Haft heraus müssen die Geflüchteten dann ihre Unschuld beweisen.
Behörden können sogar fehlerhafte Haftanträge vor der nächst höheren Instanz einfach nachbessern.
Das Überschreiten von 61 Tage der Ablehnung des Asylantrages reicht nun für bis zu 10 Tage Haft im Ausreisegewahrsam. Also völlig willkürliche Haft!

Es gibt faschistische ‚Mitwirkungspflichten‘, Zwang zu Gehorsam.
Es gibt eine 14-tägige Mitwirkungshaft.

Es werden neue Knäste gebaut und Millionen verschwendet, um nun sogar Kinder in Abschiebehaft zu sperren – wie in Dessau geplant.
Zuletzt führt Deutschland die rechtswidrige Praxis vorübergehend wieder ein, Abschiebehaft in Strafhaft zu vollziehen. Das EUGH-Urteil von 2014 hat dies ausdrücklich für rechtswidrig erklärt!

Das HauAb-Gesetz ist eine völlige Pervertierung des Rechtsstaates! Die Aushebelung von Grundrechten und demokratischer Rechtsnormen ist erschreckend, zumal die Paragraphen im Kern gleich geblieben.

Höchste Zeit also, die rassistischen Sondergesetze endlich abzuschaffen!

Wir brauchen Freiheit, ihr alle verdient Freiheit – ohne Lager, Abschiebeknäste und Behördenzwänge!
Für uns alle gelten die unteilbaren Menschenrechte – dafür brauchen wir keine scheiß Passpapiere!
Keine Behörde dieser Welt wird verhindern können, dass wir zueinander stehen, lieben und lachen!

Die Gegenwart und Vergangenheit zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind: Die Abschottungspolitik und der Abschiebewahn sind falsch! Das massenhaft Wegsperren von Menschen ist falsch!
Sie sind Ausdruck einer unmenschlichen und inkompetenten Politik und gehören in die Tonne!

Schluss mit dem Abschiebewahn – Weg mit der Abschiebehaft!
100 Jahre Abschiebehaft sind 100 Jahre zu viel!

Solidarity will win! Freedom of Movement is everybody‘s Right!

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