Demo “100 JAHRE ABSCHIEBEHAFT SIND 100 ZU VIEL!” in Ingelheim

Vom 10.-12.05. finden in ganz Deutschland Aktionstage und Demonstrationen zu dem 100. Jahrestag der Abschiebehaft in Deutschland statt. Am 11.05. demonstrieren wir in Mainz gegen den Abschiebeknast Ingelheim!

DER ABSCHIEBEKNAST INGELHEIM ALS SYMBOL DER FESTUNG EUROPAS

Freiheitsentzug gehört zu den schwerwiegendsten Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht und ist normalerweise immer die Folge einer gerichtlichen Verurteilung. Bei Abschiebehaft handelt es sich indessen um eine Verwaltungshaft, verhängt von einer Verwaltung, der Ausländerbehörde. Menschen werden inhaftiert, obwohl sie keine Straftat begangen haben. Sie nahmen lediglich ihr Recht wahr, einen Asylantrag zu stellen. Nicht nur dass sie unschuldig in Haft sitzen. Sie sind auch isoliert, können nur erschwert besucht wer-den und haben in der bis zu 18-monatigen Haftzeit keine oder nur stark eingeschränkte Möglichkeiten, mit ihrer Familie und ihren Freund*innen in Kontakt zu bleiben.

Das riesige, völlig überdimensionierte Hochsicherheitsgefängnis in Ingelheim wurde 2000 für 152 Häftlinge gebaut und nahm 2001 den Betrieb auf. Doch die Plätze waren niemals alle in Betrieb, geschweige denn überhaupt belegt. Derzeit werden 55 Plätze vorgehalten. Doch in Zeiten von rechtspopulistischen und rassistischen politischen Diskursen erlebt Abschiebehaft eine Renaissance. Nun ist von Gefährdern und besserer Durchführbarkeit von Abschiebungen die Rede.

ABSCHIEBEKNÄSTE SIND STRUKTURELLE ENTMENSCHLICHUNG

Abschiebegefängnisse sind der bittere Ausdruck der gesamtgesellschaftlichen, rassistischen Verhältnisse. In ihnen manifestiert sich die strukturelle Entmenschlichung schutzsuchender und schutzberechtigter Menschen in Deutschland und Europa. Der Flüchtlingspakt mit der Türkei vom 18.03.2016, die fortlaufenden Bemühungen, die europäischen Grenzen auszuweiten, sowie die repressive Gesetzgebung sind wichtige Etappen auf diesem Weg.

Kontinuierlich werden die Rechte Geflüchteter geschmälert: von der Dublin-Regelung, die es insbesondere Deutschland und anderen Staaten in der Mitte Europas ermöglicht, Geflüchtete in europäische Randstaaten und damit in inhumane Situationen zu deportieren, bis hin zum Asylpaket 3 und dem auf Lasten von Asylsuchenden gehenden Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU. Schnellere Abschiebungen, längere Aufenthalte in Erstaufnahmeeinrichtungen, Verschärfung der Residenzpflicht,
Beschneidung des Rechtes auf Familiennachzug, die Erweiterung der Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“, zu denen auch Afghanistan gehören soll, und vieles mehr sind die realen Folgen, die Geflüchtete jeden Tag zu spüren bekommen. Sie werden als Gruppe zunehmend entmenschlicht, zu einer Bedrohung aufgebaut, die es abzuwehren, das heißt abzuschieben, gilt.

100 JAHRE ABSCHIEBEHAFT – GESHICHTE DER ABSCHIEBEKNÄSTE

Es ist ein Irrtum zu glauben, Abschiebehaft sei ein eher jüngeres Phänomen, denn sie hat in Deutschland eine lange und traurige Geschichte. Bereits am 25. Mai 1919 unmittelbar nach Ende der Münchner Räterepublik verschärften die Ministerien für Inneres und militärische Angelegenheiten in Bayern das geltende Fremdenrecht. Die Inhaftierten von damals waren sogenannte Ostjüd*innen. Dieses staatliche Repressionsinstrument gegen unerwünschte Menschen mit seinen antisemitischen Wurzeln legte den Grundstein für das heutige Ausländerrecht und die aktuelle Praxis der Abschiebehaft.
In der 1938 von den Nationalsozialisten verabschiedeten „Ausländerpolizeiverordnung“ wurde die bayrische Regelung aufgenommen: „Der Ausländer ist (…) durch Anwendung unmittelbaren Zwanges aus dem Reichsgebiet abzuschieben, wenn er das Reichsgebiet nicht freiwillig verlässt oder wenn die Anwendung unmittelbaren Zwanges aus anderen Gründen geboten erscheint. Zur Sicherung der Abschiebung kann der Ausländer in Abschiebehaft genommen werden.“ Diese Regelung galt in Westdeutschland unverändert bis 1965. Erst dann wurde
ein neues Ausländergesetz verabschiedet.

Diese unrühmliche Tradition werden wir 2019 mit Texten, Veranstaltungen und Aktionen thematisieren. Zu jedem Abschiebegefängnis bundesweit werden rund um das zweite Maiwochenende Aktionen stattfinden.

Deshalb kommt zur Demo am 11. Mai in Mainz!
Für globale Bewegungsfreiheit!
Weg mit allen Abschiebeknästen!

Facebook-Event

Bundesweite Aktionstage & Veranstaltungen im Rhein-Main Gebiet

Programm von 100 Jahre Abschiebehaft im Rhein-Main-Gebiet

https://fluechtlingsrat-hessen.de/files/Materialien%20fuer%20die%20Artikel/100%20Jahre%20Grafik.jpg


Pressemitteilung des Hessischen Flüchtlingsrates

In den kommenden Wochen finden bundesweit Aktionstage gegen Abschiebungshaft statt. Anlass ist das 100-jährige Bestehen der Abschiebungshaft in Deutschland. Auch im Rhein-Main-Gebiet finden in diesem Rahmen Demonstrationen und Veranstaltungen statt, zu denen ein Bündnis aus Community for all, dem Ak 2. Stock der Initiative Faites Votre Jeu!, demHessischem Flüchtlingsrat und der Roten Hilfe OG Frankfurt aufruft.

Seit 100 Jahren werden in Deutschland Menschen inhaftiert, ohne eine Straftat begangen zu haben, damit sie leichter abgeschoben werden können. 1919 wurde die Abschiebungshaft in der Weimarer Republik eingeführt, und durch die Ausländerpolizeiverordnung von 1938, welche nach 1945 nahtlos in das bundesdeutsche Recht übernommen wurde, ausgeweitet. Derzeit wird von Teilen der Politik erneut eine Kampagne zum massiven Ausbau der Abschiebungshaft betrieben, die Gesetzentwürfe aus dem BMI enthalten eine Vielzahl von Verschärfungen, z.T. wird sogar offen Europarecht ignoriert.

Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Inhaftierungen in Abschiebungshaft deutlich an. 2015 wurden nach Angaben der Bundesregierung 1.800 Menschen in Abschiebungshaft genommen. 2017 waren es bereits mehr als 4.000. Und der Trend setzt sich mit dem Ausbau der Abschiebungshaftanstalten fort. Die bundesweit aktuell etwa 400 Haftplätze sollen fast verdoppelt werden. Auch in Hessen wird kräftig ausgebaut: Nach der Eröffnung der neuen Abschiebungshaft in Darmstadt vor einem Jahr mit 20 Haftplätzen soll diese bis 2020 auf bis zu 80 Haftplätze ausgebaut werden.

„Wir lehnen die Inhaftierung von Menschen einzig und allein zu dem Zweck, sie außer Landes schaffen zu wollen, grundsätzlich ab. Daher erfüllen uns auch die Bestrebungen der Landesregierung, die Haft weiter auszubauen, mit großer Sorge“, erläuterte Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrates, das Anliegen des Bündnisses. „Mit den Aktionstagen möchten wir ein Zeichen gegen die ständigen Gesetzesverschärfungen zu Inhaftierungen und Abschiebungen setzen.“

Auswertungen von NGOs und AnwältInnen zeigen, dass ein großer Anteil der Inhaftierten selbst nach den gesetzlichen Vorgaben zu Unrecht in Haft saß, wie nachträglich von Gerichten festgestellt wurde – einzelne AnwältInnen kommen auf über 40% der Fälle, in denen MandantInnen rechtswidrig inhaftiert wurden. „Wie schludrig hier mit der Freiheit von Menschen umgegangen wird, ist ein Skandal. Gerade vor diesem Hintergrund ist es erschreckend, dass an einem weiteren Ausbau festgehalten wird“, erklärte Scherenberg abschließend in Frankfurt.

Im Rahmen der bundesweiten Aktionstage zum 100-jährigen Bestehen der Abschiebungshaft finden im Rhein-Main-Gebiet folgende Veranstaltungen statt:

  • Sa, 27.04.: Dokumentarfilm “Möglichst freiwillig” und Filmgespräch mit den FilmemacherInnen, Klapperfeld, Frankfurt am Main
  • Mo, 29.04.: Diskussionsveranstaltung “Politik der Abschiebehaft”, medico-Haus, Frankfurt am Main
  • Sa, 04.05.: Öffentliche Führung durch die Ausstellung “Raus von hier. Inschriften von Gefangenen in Abschiebehaft und Polizeigewahrsam”, Klapperfeld, Frankfurt am Main
  • Do, 09.05.: Film “Vol Spécial”, Studierendenhaus, Frankfurt am Main
  • Sa, 11.05.: Demonstration gegen den Knast in Ingelheim, Mainz
  • So, 12.05.: Demonstration gegen den Knast in Darmstadt

Die genauen Daten der Veranstaltungen finden sich im beiliegenden Programm oder im Internet auf der Seite des Flüchtlingsrats.

Kranke Schwangere am Bahnhof zurückgelassen

Eine Schwangere Frau, die an Diabetes leidet, wurde aus dem Uniklinikum Mainz gerissen, um mitsamt Familie nach Kroatien abgeschoben zu werden.  Die Abschiebung scheiterte. Der Vater sitzt nun in Abschiebehaft in Ingelheim.

O-Ton der Ausländerbehörde Mainz-Bingen “zwingende Duldungsgründe haben wir nicht”. Der menschenunwürdige Einsatz hat starke Kritik hervorgerufen.

(Link faz)